Porträt Die Chefin aller englischen Polizisten
Der Terror bestimmt die ersten Arbeitswochen von Cressida Dick, die seit April die Londoner Polizei Scotland Yard leitet. Womit die 56-Jährige punkten kann
Mit ihrer schnellen Reaktion auf die Terroristen von London hat diese Frau bewiesen, dass sie die Richtige im Amt ist: Cressida Dick leitet seit dem 10. April die berühmte Londoner Metropolitan Police, bekannt als Scotland Yard. Beamte ihrer Behörde erschossen die Angreifer am Borough Market nur acht Minuten nach Beginn der Attacke und sicherten sich für das schnelle Eingreifen auch den Respekt von Premierministerin Theresa May.
Respekt hat sich Cressida Dick durch ihre Arbeit bei der Polizei schon lange verschafft, sie gilt als beste Ermittlerin im Vereinigten Königreich. Besonders bemerkenswert: Die 56-Jährige arbeitete sich vom Streifendienst als „Bobby“ganz nach oben. Für die Laufbahn bei der Polizei entschied sie sich erst nach einem Ausflug an die Universität. Dort studierte die Tochter zweier Professoren Land- und Forstwirtschaft, bevor sie 1983 beschloss, Verbrecher zu jagen. Der Zeitung Evening Standard sagte sie: „Ich bin zur Polizei gegangen, weil ich mit verschiedenen Menschen zu tun haben wollte. Ich wollte in einem Team sein und etwas Wichtiges tun.“Um sich weiterzubilden, studierte sie Anfang der 2000er Jahre noch einmal und besuchte einen Master-Kurs in Kriminologie an der Universität Oxford.
Bei Scotland Yard hatte sie zeitweise einen Posten inne, von dem sie angesichts der aktuellen Gefahrenlage profitieren dürfte. Von 2011 bis 2014 war sie für die Terrorabwehr in ganz Großbritannien zuständig, bevor sie wegen eines Streits mit ihrem Vorgänger im Amt, Sir Bernard Hogan-Howe, ins Außenministerium wechselte. Als seine Nachfolgerin verdient sie mit 230000 Pfund gut 40 000 Pfund (etwa 46 000 Euro) weniger als er – weil sie freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet, da ihre Behörde ohnehin sparen müsse. Cressida Dick gilt nicht nur als besonnen und ehrgeizig, sie ist auch bekannt dafür, Missstände anzusprechen. So rollte sie beispielsweise die Ermittlungen zum Mord an einem schwarzen Jugendlichen neu auf, weil sie der Ansicht war, dass schlampig gearbeitet worden ist. Allerdings gab es wegen eines Falls aus dem Jahr 2005 auch Kritik an ihrer Ernennung zur Polizeichefin. Damals erschossen Beamten unter ihrer Verantwortung einen unschuldigen Brasilianer, den sie für einen Selbstmordattentäter hielten. Ihr selbst konnte aber kein Fehler nachgewiesen werden.
In einem Interview sprach Dick davon, dass während ihrer Anfänge als Streifenbeamtin offener Sexismus in den Reihen der Polizei zum Alltag gehört habe. Um das zu ändern, setzt sich die 56-Jährige für die Interessen ihrer Kolleginnen ein, für die es eine landesweite Vereinigung gibt. Privat soll die kleine Frau mit den grau melierten Haaren mit einer Kollegin zusammenleben, von der nicht viel bekannt ist. Nur, dass sie mit Vornamen Helen heißen und auf einem Revier im Londoner Süden arbeiten soll. Ida König