Zur Trauer nach dem Terror kommt Ärger über Trump
Großbritannien Herablassende Äußerungen über Londons Bürgermeister. Wut auch auf die Behörden: Ein Täter war einschlägig bekannt
London Er war einer der „Dschihadisten von nebenan“, so der Name einer Dokumentation aus dem vergangenen Jahr. Ungeniert präsentierte Khuram Butt sich und seine extremistische Gesinnung im Fernsehen. Für den Privatsender Channel 4 posierte er unter anderem mit einer Fahne der Terrororganisation des sogenannten Islamischen Staats (IS) in einem Londoner Park, während Spaziergänger kaum Notiz von der Männergruppe nahmen.
Die Sicherheitsbehörden hatten den Briten mit pakistanischen Wurzeln bereits 2015 im Visier, überprüften ihn nach einer Meldung eines besorgten Bekannten abermals im vergangenen Jahr, hätten aber keine Belege gefunden, dass er einen Anschlag plante, teilte der britische AntiTerror-Chef Mark Rowley nun mit. Daraufhin sei Butt als nachrangig eingestuft worden.
Am Samstag überfuhr der 27-Jährige gemeinsam mit zwei weiteren Islamisten mit einem Lieferwagen auf der London Bridge mehrere Menschen. Danach attackierten sie Passanten und Barbesucher im Ausgehviertel um den Borough Market mit Messern. Mindestens sieben Menschen starben, dutzende wurden verletzt. Polizisten schossen die Angreifer nieder. Neben Butt wurden mittlerweile der 30-jährige marokkanisch-libysche Konditor Rachid Redouane sowie der 22-jährige Joussef Zaghba, ein Italiener marokkanischer Herkunft, als Täter identifiziert. Alle drei lebten zuletzt in Ostlondon. Offenbar war nur Butt dem Inlandsgeheimdienst MI5 sowie der Polizei bekannt.
Die Medien zeigten sich schockiert: „Warum haben sie den TVDschihadisten nicht gestoppt?“, fragte die Sun. „Wie zur Hölle konnte er durchs Netz rutschen?“, klagte der Daily Mirror. Den Sicherheitsbehörden warfen sie Versagen vor. Die konservative Regierungschefin Theresa May geriet zwei Tage vor der Parlamentswahl weiter unter Druck. Sie war schon, bevor sie 2016 Premierministerin wurde, als Innenministerin sechs Jahre lang für das Thema Sicherheit verantwortlich. Gestern um 11 Uhr gedachte das ganze Land der Opfer mit einer Schweigeminute.
Zur Trauer kommt das Ärgern über Tweets von US-Präsident Donald Trump. Der kritisierte darin harsch Londons Bürgermeister Sadiq Khan. Das muslimische Stadtoberhaupt ist beliebt und fand in den Tagen nach dem Anschlag die richtigen Worte und Gesten. Und wird deshalb in breiter Mehrheit gegenüber Trump verteidigt. Dieser hatte mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat Khan vorgeworfen, die terroristische Bedrohung in der Hauptstadt nicht ernst zu nehmen. Der Bürgermeister hatte nach dem Anschlag zur Besonnenheit aufgerufen und gemeint, es gebe keinen Grund, wegen des erhöhten Polizeiaufgebots in der Stadt in Alarmstimmung zu verfallen.
Auf Trumps ersten verbalen Angriff antwortete Khan nicht. Ein Sprecher ließ ausrichten, der Bürgermeister habe gerade Wichtigeres zu tun. Dann legte der US-Präsident nach und beschuldigte Khan, auf seine Kritik mit einer „erbärmlichen Ausrede“reagiert zu haben. Gestern meldete sich Sadiq Khan persönlich zu Wort. Er lehnte in einem Interview einen Staatsbesuch von Trump im Königreich als unangemessen ab. Bereits nach der Einladung durch Premierministerin May habe er gesagt, dass Trump nicht der rote Teppich ausgerollt werden dürfe. „Daran hat sich nichts geändert.“Das Gros der Briten sieht das laut Umfragen im Übrigen ähnlich.