Heute Schnitzel, morgen Braten, übermorgen…
Serie Es gibt immer mehr ältere Menschen. In „Leben im Alter“stellen wir sie vor und welche Angebote es im Kreis gibt
Landkreis Was gibt es heute zu essen? Rindergulasch oder Fischfilet? Doch woher kommen Fleisch und Fisch, wenn Metzger und Supermarkt weit weg sind, wenn man nicht mehr Auto fahren kann und das Kochen körperlich zu anstrengend ist? Für das Ehepaar Burggraf kein Problem, obwohl Sigrid und Robert um die 80 Jahre alt und nicht besonders mobil sind. Die beiden können essen, wann und was sie wollen. Das Essen kommt zwar auf Rädern, aber es ist nicht warm und beinhaltet viele verschiedene Gerichte, die sich das Paar, das fast 60 Jahre miteinander verheiratet ist, spontan wärmt. „Das Wiener Schnitzel ist sagenhaft“, schwärmt Robert Burggraf. Manchmal mache sich das Paar sogar Notizen und bewerte die einzelnen Gerichte, erzählt er, während die Botin, Claudia Berchtenbreiter, routiniert die kleinen Aluschälchen in die Gefriertruhe räumt. Auf der Tür klebt ein Schild mit riesengroßen Buchstaben: Donnerstag Malteser.
Seit etwa einem Jahr bieten die Malteser auch im Landkreis Dillingen tiefgefrorenes Essen auf Rädern an. Beim BRK in Dillingen wird zudem auch warmes Essen ausgeliefert, laut Martina Meier an 100 Kunden am Tag. Doch der zeitliche und personelle Aufwand dafür war den Maltesern irgendwann zu hoch. Rund 500 Essen liefern sie im Monat zwischen Syrgenstein und Wertingen aus. Burggrafs sind davon so begeistert, dass sie es Freunden weiterempfohlen haben.In Fünferoder Siebenerkartons werden die Portionen tiefgekühlt vorbeigebracht, erklärt Claudia Berchtenbreiter während der Fahrt zur nächsten Kundin und warnt vor deren kleinem Hund. „Der begrüßt einen nur kurz, der tut nichts.“Die Dillingerin muss es wissen, seit fünf Jahren arbeitet sie für die Malteser. Einen Schlüssel für die belieferten Wohnungen hat sie nicht. Braucht sie auch nicht, überall wird sie erwartet. Nur wenn nicht, macht sie sich Sorgen. Dann versucht die Geschäftsstelle, Angehörige zu erreichen, die unter Umständen einen Schlüssel haben.
Die Kundin sitzt im Flur auf dem Rollator und schnappt durch die geöffnete Wohnungstür etwas Wärme, Wind und Sommer auf. Claudia Berchtenbreiter räumt die verschiedenen Gerichte in die Gefrierfächer unterm Kühlschrank der großen Küche und manchmal in die Truhe hinten im Stall. Denn die Lieferung ist groß. Mittags macht sich die 85-Jährige eine Brokkoli-Suppe mit Backerbsen warm, abends gibt es vielleicht die Makkaroniplatte oder Königsberger Klopse – oder beides. Denn auch ein Sohn kommt täglich zum Abendessen vorbei – auch er bestellt Essen auf Rädern.
Ein anderer Senior ist Kunde, weil die Firma, von der die Malteser die Gerichte haben, die Kantine seines Arbeitgebers beliefert hatte. Seit er in Rente ist, bekommt er seine Portionen jetzt halt nach Hause. Wieder andere holen sich ihre Portionen an der Geschäftsstelle in der Schützenstraße ab. Manche essen vegetarisch oder verzichten auf Kohlenhydrate. Eine Kundin bestellt nur für die Dauer der Erntezeit. Kinder bestellen für ihre Eltern, wenn die sich selbst noch nicht dazu überwinden können, anzurufen, per Fax. Stefanie Remmele nimmt die Anrufe der Kunden bei den Maltesern entgegen. „Manche bestellen gezielt aus dem Katalog, andere lassen mich auswählen und sagen nur, was sie nicht mögen.“Eine Seniorin im Lauinger Betreuten Wohnen schwört auf die Kartof- mit Rahmgemüse. Die müssen immer dabei sein. Der Rest ist ihr egal. „Ich bin nicht heikel, ich komme aus einer Zeit, wo es nichts gab.“Kochen könnte sich die 81-Jährige ihr Essen schon noch selbst. Einkaufen ist das Problem: Weite Wege schafft sie nicht und mit dem Rollator nur bei gutem Wetter. „Ich kann nicht auch noch einen Schirm halten. Außerdem ist Claudia Berchtenbreiter inzwischen ‚meine gute Seele‘“, lobt die 81-Jährige und erzählt der Lieferantin von ihren beiden Enkeln. Ins nächste Haus führt eine große Rampe zur Tür. Die Putzfrau öffnet. Der Essenskarton wird dort immer drinnen auf die Treppe gestellt. Trotzdem geht es nicht schneller – freudestrahlend taucht ein älterer Herr auf. Die Rampe war für seine Frau, inzwischen lebt er allein. Seine Lieferung alle 14 Tage zahlt er bar. Als Claudia Berchtenbreiter der Geldbeutel hinunterfällt, lacht er und sagt: „Kosch ligaloh, dann hab’ ich ’n Grund anzurufen.“Sie lacht mit und hebt den kleinen Geldbeutel wieder auf. Ein anderer Kunde erzählt stolz vom zehnten Urenkel, der kürzlich zur Welt kam, und diktiert dann die Reihenfolge, nach der Champignontopf, Putengulasch, Seelachsfilet oder Grießauflauf eingeräumt werden. „Ich bin selig mit diesem Essen“, schwärmt der 81-Jährige. Gleich gibt es Frikadellen mit Apfelrotkohl und Kartoffelpüree. Am Vortag hat er die Schale schon aus dem Gefrierfach in den Kühlschrank gestellt, heute 35 Minuten im Ofen erhitzt, um 12.30 Uhr wird gegessen. Dann erzählt er, was im großen Garten gerade alles blüht. Zwei Stunden ist die Liefefeltaschen rantin zum Teil unterwegs. Die Tour ist dieses Mal insgesamt 30 Kilometer lang. Es können auch mal 120 Kilometer sein – doch länger als 90 Minuten sollten die Gerichte nicht ungekühlt sein, erklärt die Dillingerin im Auto. Deswegen fährt sie etwa die Tour nach Staufen extra. Und die Wertinger werden bedient, wenn sie in Augsburg beim Hersteller die bestellten Kartons abholt. Darauf sind bereits die Namen der Kunden notiert. 6,22 Euro kostet ein Essen.
Für ihren Einsatz bekommt Berchtenbreiter eine Aufwandsentschädigung. Ihr Sohn, einst Zivi, hatte das Essen – damals warm – ausgefahren. „Als sein Dienst vor etwa fünf Jahren vorbei war, hat er mich gefragt, ob ich das nicht weitermachen will. Ich dachte, so komme ich unter Leute.“Und die wiederum freuen sich riesig, wenn die Lieferantin klingelt. Dann gibt es nicht nur gutes Essen, sondern immer auch etwas zu erzählen.
„Ich bin nicht heikel, ich komme aus einer Zeit, wo es nichts gab.“
81 Jährige