So lebt der „24-Stunden-Pfarrer“
Serie Monsignore Josef Philipp ist 88 und rund um die Uhr für Ziertheim unterwegs. Ein Einblick in seinen Alltag
Ziertheim Selbst während der Pfingstferien, wenn nur wenige Kinder im Kindergarten in Ziertheim sind, lässt es sich Pfarrer Josef Philipp nicht nehmen, einmal am Tag vorbeizuschauen. Die Kinder begrüßen ihn euphorisch und auch er kennt jedes von ihnen mit Namen. „Wo wohnst du gleich noch mal“, sagt er neckisch zu einem kleinen Jungen, der sofort den Arm ausstreckt und mit dem Finger nach draußen zeigt. „Gleich nebenan“, sagt der Bub. „Das erzählt er Besuchern gerne“, weiß der Pfarrer und lächelt.
Die Kirchenstiftung ist Träger des Kindergartens. Die Gemeinde hat den Neubau, der 1,2 Millionen Euro kostete, hauptsächlich finanziert. Um Ablauf und Personal kümmert sich aber nach wie vor der Monsignore. „Das ist die wohl kleinste Toilette der Welt“, sagt er und deutet auf das Klo, das die Krippenkinder benutzen. Er lächelt, voller Stolz auf den Ziertheimer Nachwuchs, sein Erzieherinnen-Team und den modernen Neubau.
Pfarrer Josef Philipp verabschiedet sich von den Kindern, stützt sich auf seinen Gehstock und läuft zurück Richtung Pfarrheim, das zwischen Kindergarten und Kirche liegt. Es wird langsam Zeit, um punkt 12 Uhr wird er von seiner Haushälterin, Erna Pösl, zum Essen erwartet. Der Ziertheimer hat jeden Tag feste Programmpunkte. Morgens zum Beispiel holt er seine Haushaltshilfe aus Dischingen ab – mit dem Auto. „Klar fahr’ ich noch Auto“, sagt der immerhin schon 88-jährige Pfarrer und lacht. Er denkt noch nicht daran, sein Programm zu reduzieren. Er will der Ziertheimer „24-Stunden-Pfarrer“bleiben – solange es geht.
Auch auf sein Zuhause ist der Monsignore unglaublich stolz. „Bald wird dieses Haus 300 Jahre alt“, erzählt er. 1719 wurde es erbaut. Ihm gefallen die Türen mit ihren alten Schlössern, die breiten originalen Holzdielen und der „schöne Gewölbekeller“. Der Pfarrer kennt jeden Winkel des Gebäudes. Geschichte – und vor allem die Vergangenheit Ziertheims – gehört zu seinen Hobbys. Für historische Anekdoten kann er sich begeistern, zum Beispiel für die vom „Franzosenloch“.
Im Erdgeschoss des Pfarrheims gibt es eine kleine Öffnung in der Wand, dahinter ist ein niedriger kleiner Raum. Der 88-Jährige knipst das Licht an, das er vor Kurzem selbst darin angebracht hat, und erzählt die Geschichte dazu: 1795 durchquerte Napoleon mit seinen Truppen den Landkreis, auch an Ziertheim kam er vorbei. Ein Soldat hat sich von der Gruppe abgesetzt. Der Deserteur wandte sich an den damaligen Ziertheimer Pfarrer, Alois Klaus, und bat um ein Versteck. „Da hinten war die Pissrinne“, erklärt der Monsignore, „und vor die Öffnung hat man damals einen Schrank geschoben“. Der Soldat ritt irgendwann wieder in die entgegengesetzte Richtung nach Hause.
Der Ziertheimer stöbert gern in Archivalien. Er hilft auf Anfrage bei der Ahnenforschung und stößt immer wieder auf solche Anekdoten. Im Kaplanszimmer, wo früher der Kaplan für Dattenhausen unterkam, steht ein großer schwerer Schrank. Darin bewahrt er – neben „geheimen Sachen“, wie er erzählt – unter anderem alte Matrikelbücher auf, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. In einem davon steht die Geschichte von einem „wahren Eiferer“. Franz Anton Roth starb im August 1750 an Darmkrebs, „nachdem er 13 Jahre lang lobenswert in der Seelsorge gewirkt hatte“.
Pfarrer Josef Philipp kann diese Dienstzeit allemal überbieten. Seit 1964 – bereits 52 Jahre lang – ist er als Seelsorger in Ziertheim. Er kennt seine Gemeinde ganz genau. Im Arbeitszimmer kann er vom Fenster aus alles überblicken, sagt er. In diesem Raum hält er sich oft auf, vor allem an seinem Schreibtisch. Ein Fernseher und zwei gemütliche Sessel stehen auch darin. Sein Schlafzimmer ist in einem kleinen Nebenraum, ganz schlicht gehalten, es war früher einmal ein Ankleidezimmer.
Der 88-Jährige blickt aus dem Fenster. Er sieht den Kindergarten und die Kirche. Für die Seelsorge wendet er natürlich die meiste seiner Zeit auf. In den vergangenen Tagen zum Beispiel hat er Fronleichnam intensiv vorbereitet.
Am Abend wird er seine Haushaltshelferin wieder nach Hause fahren, mit seinem neuen 7er-Golf. „Der alte hat es mit 260 000 Kilometern nicht mehr durch den TÜV geschafft“, bedauert Pfarrer Josef Philipp. Er ist seiner Marke treu geblieben. Er habe auch schon den 1er, den 2er, den 3er und den 4er-Golf gefahren. Dass er eine treue Seele ist, das würde wohl auch jeder Ziertheimer so bestätigen.