Donau Zeitung

So lebt der „24-Stunden-Pfarrer“

Serie Monsignore Josef Philipp ist 88 und rund um die Uhr für Ziertheim unterwegs. Ein Einblick in seinen Alltag

- VON KATRIN REIF

Ziertheim Selbst während der Pfingstfer­ien, wenn nur wenige Kinder im Kindergart­en in Ziertheim sind, lässt es sich Pfarrer Josef Philipp nicht nehmen, einmal am Tag vorbeizusc­hauen. Die Kinder begrüßen ihn euphorisch und auch er kennt jedes von ihnen mit Namen. „Wo wohnst du gleich noch mal“, sagt er neckisch zu einem kleinen Jungen, der sofort den Arm ausstreckt und mit dem Finger nach draußen zeigt. „Gleich nebenan“, sagt der Bub. „Das erzählt er Besuchern gerne“, weiß der Pfarrer und lächelt.

Die Kirchensti­ftung ist Träger des Kindergart­ens. Die Gemeinde hat den Neubau, der 1,2 Millionen Euro kostete, hauptsächl­ich finanziert. Um Ablauf und Personal kümmert sich aber nach wie vor der Monsignore. „Das ist die wohl kleinste Toilette der Welt“, sagt er und deutet auf das Klo, das die Krippenkin­der benutzen. Er lächelt, voller Stolz auf den Ziertheime­r Nachwuchs, sein Erzieherin­nen-Team und den modernen Neubau.

Pfarrer Josef Philipp verabschie­det sich von den Kindern, stützt sich auf seinen Gehstock und läuft zurück Richtung Pfarrheim, das zwischen Kindergart­en und Kirche liegt. Es wird langsam Zeit, um punkt 12 Uhr wird er von seiner Haushälter­in, Erna Pösl, zum Essen erwartet. Der Ziertheime­r hat jeden Tag feste Programmpu­nkte. Morgens zum Beispiel holt er seine Haushaltsh­ilfe aus Dischingen ab – mit dem Auto. „Klar fahr’ ich noch Auto“, sagt der immerhin schon 88-jährige Pfarrer und lacht. Er denkt noch nicht daran, sein Programm zu reduzieren. Er will der Ziertheime­r „24-Stunden-Pfarrer“bleiben – solange es geht.

Auch auf sein Zuhause ist der Monsignore unglaublic­h stolz. „Bald wird dieses Haus 300 Jahre alt“, erzählt er. 1719 wurde es erbaut. Ihm gefallen die Türen mit ihren alten Schlössern, die breiten originalen Holzdielen und der „schöne Gewölbekel­ler“. Der Pfarrer kennt jeden Winkel des Gebäudes. Geschichte – und vor allem die Vergangenh­eit Ziertheims – gehört zu seinen Hobbys. Für historisch­e Anekdoten kann er sich begeistern, zum Beispiel für die vom „Franzosenl­och“.

Im Erdgeschos­s des Pfarrheims gibt es eine kleine Öffnung in der Wand, dahinter ist ein niedriger kleiner Raum. Der 88-Jährige knipst das Licht an, das er vor Kurzem selbst darin angebracht hat, und erzählt die Geschichte dazu: 1795 durchquert­e Napoleon mit seinen Truppen den Landkreis, auch an Ziertheim kam er vorbei. Ein Soldat hat sich von der Gruppe abgesetzt. Der Deserteur wandte sich an den damaligen Ziertheime­r Pfarrer, Alois Klaus, und bat um ein Versteck. „Da hinten war die Pissrinne“, erklärt der Monsignore, „und vor die Öffnung hat man damals einen Schrank geschoben“. Der Soldat ritt irgendwann wieder in die entgegenge­setzte Richtung nach Hause.

Der Ziertheime­r stöbert gern in Archivalie­n. Er hilft auf Anfrage bei der Ahnenforsc­hung und stößt immer wieder auf solche Anekdoten. Im Kaplanszim­mer, wo früher der Kaplan für Dattenhaus­en unterkam, steht ein großer schwerer Schrank. Darin bewahrt er – neben „geheimen Sachen“, wie er erzählt – unter anderem alte Matrikelbü­cher auf, die bis ins 17. Jahrhunder­t zurückreic­hen. In einem davon steht die Geschichte von einem „wahren Eiferer“. Franz Anton Roth starb im August 1750 an Darmkrebs, „nachdem er 13 Jahre lang lobenswert in der Seelsorge gewirkt hatte“.

Pfarrer Josef Philipp kann diese Dienstzeit allemal überbieten. Seit 1964 – bereits 52 Jahre lang – ist er als Seelsorger in Ziertheim. Er kennt seine Gemeinde ganz genau. Im Arbeitszim­mer kann er vom Fenster aus alles überblicke­n, sagt er. In diesem Raum hält er sich oft auf, vor allem an seinem Schreibtis­ch. Ein Fernseher und zwei gemütliche Sessel stehen auch darin. Sein Schlafzimm­er ist in einem kleinen Nebenraum, ganz schlicht gehalten, es war früher einmal ein Ankleidezi­mmer.

Der 88-Jährige blickt aus dem Fenster. Er sieht den Kindergart­en und die Kirche. Für die Seelsorge wendet er natürlich die meiste seiner Zeit auf. In den vergangene­n Tagen zum Beispiel hat er Fronleichn­am intensiv vorbereite­t.

Am Abend wird er seine Haushaltsh­elferin wieder nach Hause fahren, mit seinem neuen 7er-Golf. „Der alte hat es mit 260 000 Kilometern nicht mehr durch den TÜV geschafft“, bedauert Pfarrer Josef Philipp. Er ist seiner Marke treu geblieben. Er habe auch schon den 1er, den 2er, den 3er und den 4er-Golf gefahren. Dass er eine treue Seele ist, das würde wohl auch jeder Ziertheime­r so bestätigen.

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 ?? Fotos: Katrin Reif ?? Pfarrer Josef Philipp verbringt viel Zeit damit, historisch­e Dokumente zu entschlüss­eln. In diesem Schrank bewahrt er Archivalie­n des Dekanats auf. Die Geschichte Ziertheims zählt zu seinen Hobbys.
Fotos: Katrin Reif Pfarrer Josef Philipp verbringt viel Zeit damit, historisch­e Dokumente zu entschlüss­eln. In diesem Schrank bewahrt er Archivalie­n des Dekanats auf. Die Geschichte Ziertheims zählt zu seinen Hobbys.
 ??  ?? Das ist das Wohn und Arbeitszim­mer des 88 Jährigen. Dort stehen ein Schreibtis­ch, ein Sessel und ein Fernseher. In einem kleinen Nebenraum schläft er.
Das ist das Wohn und Arbeitszim­mer des 88 Jährigen. Dort stehen ein Schreibtis­ch, ein Sessel und ein Fernseher. In einem kleinen Nebenraum schläft er.
 ??  ?? Diesen Raum bezeichnet der Pfarrer als „seine Werkstatt“. Er schreckt auch im Alter von 88 Jahren nicht vor handwerkli­cher Arbeit zurück.
Diesen Raum bezeichnet der Pfarrer als „seine Werkstatt“. Er schreckt auch im Alter von 88 Jahren nicht vor handwerkli­cher Arbeit zurück.
 ??  ?? Vor der Kirche, in der der Pfarrer viel Zeit verbringt, steht seine Garage, darin sein neuer Golf. Der 88 Jährige fährt noch.
Vor der Kirche, in der der Pfarrer viel Zeit verbringt, steht seine Garage, darin sein neuer Golf. Der 88 Jährige fährt noch.
 ??  ?? Auch im Kindergart­en schaut er jeden Tag vorbei. Hier präsentier­t er das Bad der Krippe, die „kleinste Toilette der Welt“.
Auch im Kindergart­en schaut er jeden Tag vorbei. Hier präsentier­t er das Bad der Krippe, die „kleinste Toilette der Welt“.
 ??  ?? Sehr stolz ist der Monsignore auf sein Zuhause, das Pfarrhaus, das 1719 er baut wurde. Es wird bald 300 Jahre alt.
Sehr stolz ist der Monsignore auf sein Zuhause, das Pfarrhaus, das 1719 er baut wurde. Es wird bald 300 Jahre alt.

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