Der Streit um neue und das Geschäft mit alter Kunst
In diesen Wochen des Jahres 2017 hat Kunst Hochkonjunktur: Documenta in Kassel, Skulptur-Projekte in Münster, die Art Basel – Schauen von Weltformat, wo geguckt und gerätselt, gestritten und teils auch gescheffelt wird. Vor genau 100 Jahren war das vergleichbar, mitten im vierten Kriegsjahr. Gestritten wurde vor allem, weil der in New York lebende Franzose Marcel Duchamp im Mai 1917 ein auf die Rückwand gekipptes, mit Pseudonym („R. Mutt“) signiertes, aber sonst ganz gewöhnliches Pissoir für eine Ausstellung eingereicht hatte. Ein Skandal? Jedenfalls wegweisend…
Gestritten wurde aber auch in Deutschland. Dort musste „Die Große Berliner Kunstausstellung 1917“nach Düsseldorf ausweichen, weil das gewohnte Gebäude am Lehrter Bahnhof als Notlazarett genutzt wurde. Vier eigene Räume in Düsseldorf aber werden besetzt von den Vertretern der sogenannten Berliner Secession. Und diese Künstlergruppe unter Vorsitz des Malers Lovis Corinth hält’s eben auch gerne revolutionär, und das heißt hier ab der Eröffnung am 16. Juni 1917 zwar noch nicht industriegefertigt, sondern: expressionistisch. Und für dieses so Unschöne, Krasse hagelt es dann auch heftige Kritik. Muss Kunst nicht schön und meisterlich sein?
Wie als Erwiderung findet nur eine Woche später, am 23. Juni 1917, unverändert in Berlin, im Auktionshaus von Paul Cassirer, die Versteigerung der Sammlung Aumüller statt. Und da geht es wahrlich altmeisterlich zu. Dürers Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“erreicht den sehr hohen Preis von 10800 Mark. Den höchsten Preis erzielt eine Radierung Rembrandts mit einer Landschaft samt dreier Bäume mit schwindelerregenden 21 000 Mark. Dagegen nimmt sich zum damaligen 400-jährigen Reformationsjubiläum fast bescheiden aus, dass ein Luther-Porträt-Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren für 810 Mark wegging. Aber der Trend stand: Ums Neue wird hochtönend gekämpft, ums Alte höchstbietend gesteigert. (ws)