Ein richtiger Mann
Montagsglosse
Wenn ein klassischer Hollywood-Regisseur den Ausbruch der großen Liebe ins Bild rücken wollte, ließ er eine Frau an die Schulter eines Mannes sinken und „Ich liebe dich“flüstern. Der Mann schenkte dem Opfer seiner Ausstrahlung ein knappes Lächeln, bewahrte Haltung und bewies damit seine Fähigkeit, selbst bei der Annäherung an die Gipfel des Glücks vernünftig zu bleiben. Der Kinobesucher verstand: Dieser Filmheld wäre auch im Ehealltag fähig, alle Widrigkeiten ohne emotionale Ablenkung beiseite zu räumen.
Aber jetzt hat die Dating-App Jaumo das Bild vom richtigen Mann korrigiert und nachgewiesen: 57 Prozent der Single-Männer, aber nur 46 Prozent der SingleFrauen träumen romantisch von der großen Liebe.
Die Gefahr, dass die zeitgenössische Männerwelt plötzlich nicht mehr kommandieren, entscheiden, protzen und verdienen will, ist dennoch gering. Denn Berliner Psychologen haben festgestellt: Männer erscheinen der modernen Frau als besonders attraktiv, wenn sie den urzeitlichen Vorstellungen vom starken Geschlecht entsprechen, ihre Gefühle verstecken und im Berufsleben robust auf Geld- und Erfolgsjagd gehen.
Zu sagen, was „ein richtiger Mann“ist, wird immer schwieriger. Kurt Tucholsky hatte dafür letztmals klare Kriterien, als er 1924 schrieb: „Was ein richtiger Mann ist, dem guckt jetzt vorn aus der äußern Brusttasche etwas Silbernes heraus: der schmale Haken eines Füllfederhalters oder eines Taschenbleistifts ... Alle Welt trägt diesen Apparat.“