Ein wahrlich himmlisches Spielzeug
500 Jahre Reformation Der Dillinger Jugendseelsorger ist ein richtiger Fan der kleinen Martin-Luther-Figur
Landkreis Ihre Maße fallen bescheiden aus, die Verbreitung dagegen ist millionenfach: Mit einer Höhe von siebeneinhalb Zentimetern darf die Plastik-Figur mit Mönchskutte, Federkiel, Mütze und aufgeschlagener Bibel zu den eher kleinwüchsigen Produkten im Playmobil-Sortiment gezählt werden. Jetzt hat der „offizielle Werbebotschafter“für das einjährige Reformations-Jubiläumsjahr die Million seit seiner ersten Herstellung vor fast zwei Jahren gerissen. Innerhalb von drei Tagen war die erste Auflage mit 34000 Stück bereits vergriffen. Die ab rund drei Euro meist im Internet erwerbbare Darstellung des berühmten Reformators Martin Luther bricht nicht nur Verkaufsrekorde, sondern überraschte auch manchen skeptischen Kirchenoberen. Doch an Donau und Zusam schwächelt der Glaube an die Wirkung des kleinen Männchens noch ein wenig. Das Wertinger Spielwarengeschäft von Egon Siwi bietet als einziges überhaupt die Figur im Landkreis an. Doch bisher sitzt Siwi noch auf seinen Vorräten.
Obwohl Frank Bienk seit Monaten ganze Kolonnen aufmarschieren lässt. Wenn der evangelische Pfarrer, der in der evangelischen Gemeinde Dillingen mit Dienstsitz „Martin-Luther-Platz“aushilft, mit Gläubigen unterwegs ist, verteilt er immer wieder gerne die Figur: „Eine steht grundsätzlich auf meinem Schreibtisch, weitere 20 sind im Schrank.“Für den regionalen Jugendseelsorger stellt der große Kirchenreformer im Mini-Format nicht einfach nur ein bloßes Spielzeug dar: „Damit kann man auch Türen öffnen.“Etwa zu einem Kind, das neugierig frage, wer das denn sei. Wer das putzige Stück in den Händen halte, würde es laut Bienk auf Anhieb gut finden. Ursprünglich sollte die Luther-Nachbildung eigentlich mit Hammer in der Hand und beim Portalanschlag auf den Markt kommen. Dies wurde jedoch wegen der historisch umstrittenen Überlieferung – nicht einmal die Zahl der 95 Thesen ist belegt – wieder verworfen. Für nachgewiesen hält der Seelsorger, dass die Menschen selbst im Zeitalter von Smartphones und „Apps“haptischen Reizen gegenüber sehr aufgeschlossen seien. Da macht er selbst keine Ausnahme: „Beim Nachdenken überm Skript für die nächste Predigt erwische ich mich gelegentlich dabei, wie ich die Figur ergreife und drücke.“
Handfestes schätzt Pfarrerin Ingrid Rehner in Wertingen ebenso, allerdings bezogen auf die Veranstaltungen anlässlich des Jubiläums. „Wir hatten dazu bei der Teilnahme an Veranstaltungen in Augsburg und München wunderbare Erfahrungen gemacht.“Allerdings räumt die Frau von der Bethlehemgemeinde ein, dass man an der Zusam die Reformation keineswegs neu erfinden wolle. „Hier soll alles im Rahmen bleiben, etwa wegen der begrenzten personellen Kapazitäten.“Natürlich steht der kleine Luther auch in ihrer Vitrine. Im vergangenen Jahr bescherte sie ein ganzes Dutzend davon ihren zwölf Konfirmanden. Die Nachfrage danach ist allerdings gering: „Da war mal eine Frau da, die ihrem Enkelkind so etwas schenken wollte, sonst nichts.“
Eine Erklärung dafür glaubt Ulrike Poser in Wertingen zu haben. Sie verkauft zwar keine Spielfiguren vom Schlage des kleinen Mannes, dafür aber Bücher über den berühmten Kirchenrebellen. Die bekannte Literaturkritikerin sieht den reißenden Absatz des nachgebauten Ablassgegners „vielmehr in den Bundesländern, die gewissermaßen fest in protestantischer Hand sind“. Tatsächlich ist er besonders beliebt in den Souvenirläden an den Wirkungsstätten von Luther. Eine Verbindung zu Religiösem kann sie sich lieber in Form eines Bilderbuches für Kinder als über so ein Spielzeug vorstellen.
Zurückhaltend verhielten sich auch die Leseratten unter ihrer Kundschaft, sagt Poser: „Da wird höchstens mal die ökumenische Bibel nachgefragt.“Für eine aufbrechende „Luthermanie“zwischen Donau und Zusam bleibt noch etwas Zeit: Schließlich wird ein halbes Jahrtausend Thesenverkündung noch bis zum 31. Oktober gefeiert.