Hat Daimler im großen Stil betrogen?
Mobilität Auch der Stuttgarter Konzern soll bei den Abgaswerten geschummelt haben. Der Verdacht ist nicht neu. Die Dimension schon. Eine Million Autos soll betroffen sein
Stuttgart Ungewöhnlich schnell hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) diesmal reagiert. Bereits einen Tag nach dem Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Daimler wegen der zu hohen Abgaswerte bei Dieselmotoren hat der CSU-Politiker Vertreter des Autokonzerns einbestellt. „Wir werden sehen, was da rauskommt“, sagte Dobrindt gestern zur eilig einberufenen Sondersitzung der Untersuchungskommission, die den Dieselskandal aufarbeiten soll.
Daimler soll fast ein Jahrzehnt lang Fahrzeuge mit einem unzulässig hohen Schadstoffausstoß verkauft haben. Insgesamt könnten bis zu eine Million Fahrzeuge mit Dieselmotoren betroffen sein, die zwischen 2008 und 2016 für Europa und die USA produziert wurden. Verschiedene Medien hatten berichtet, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft habe in der Begründung ihres Durchsuchungsbeschlusses für eine groß angelegte Razzia im Mai diesen Verdacht erhoben. Zwei Motorreihen enthielten demnach unzulässige Abschaltvorrichtungen, mit der die Abgasreinigung bei den offiziellen Messungen auf dem Prüfstand einund im Straßenverkehr ausgeschaltet werde. Die umstrittene Vorrichtung sei dem Kraftfahrt-Bundesamt bei der Typgenehmigung nicht offengelegt worden.
Als im Herbst 2015 bei Volkswagen der Dieselskandal seinen Anfang nahm, hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche klar Position bezogen: „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert.“Später hatte er mit dem Hinweis auf „große Spielräume in der Gesetzgebung“seine Aussage allerdings relativiert. Zumindest die Stuttgarter Ermittler gehen davon aus, dass nicht nur getrickst, sondern manipuliert wurde. Die Vorgaben der EU gelten tatsächlich als schwammig. Zum konkreten Vorwurf schweigen sich jetzt alle Beteiligten aus. Das laufende Verfahren kommentiere man nicht, hieß es bei Daimler. Das Unternehmen kooperiere vollumfänglich mit den Behörden. Die Staatsanwaltschaft bestätigte lediglich, die Ermittlungen würden sich gegen zwei namentlich bekannte Beschuldigte und Unbekannte richten.
Die betroffenen Motorenreihen mit den internen Kennnummern OM 642 und OM 651 sind in vielen Modellen verbaut. Die Vier- und Sechszylinder treiben Autos der Cund der E-Klasse an, die in besonders großen Stückzahlen verkauft werden. Dass Daimler nachträglich die Typgenehmigung entzogen wird, gilt als unwahrscheinlich. Eher droht den Besitzern ein Werkstattbesuch zur Überarbeitung der Motorsteuerung. Bisher hat der Konzern mit Sitz in Stuttgart auf Druck von Dobrindt schon 247000 Fahrzeuge nachgebessert, weil die durch übermäßige Schadstoffwerte aufgefallen waren. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert ein konsequentes Vorgehen und drohte mit einer Klage.