Wenn die Musik im Glashaus spielt
Festival Seit 25 Jahren gibt es den Augsburger Jazzsommer. Den Jubiläumsauftakt bestritt eine legendäre Band
Augsburg Wenn unter den Klangakteuren dieses Abends ein Preis für das beste Timing zu vergeben gewesen wäre, es hätte nur einen Gewinner geben können – den Regen. Mit bewundernswerter Präzision drosch er exakt in dem Moment auf das Glasdach ein, als unten die Musik zu spielen begann. Und sorgte während der ganzen ersten Hälfte des Oregon-Auftritts dafür, dass die Viererformation unfreiwillig zu einem fünften Mitspieler kam.
Aber so ist das nun mal beim Augsburger Jazzsommer, der von Haus aus eine Freiluftveranstaltung ist: Wenn es für die eigentliche Bühne, den Pavillon im Augsburger Botanischen Garten, zu feucht zu werden droht, wird der Jazz nach nebenan ins schützende Glashaus verlegt. Christian Stock, der seit 25 Jahren das Programm des Jazzsommers verantwortet, ist das gewohnt: Das Verhältnis von Outdoor- und Indoor-Veranstaltungen, sagt er, belaufe sich auf 70 zu 30. Und manchmal hat es sogar seine Vorteile, wenn man sich ins Glasgehäuse zurückzieht: Wenn die Musik nämlich substanziell der klanglichen Distinktion und kammermusikalische Durchsichtigkeit verpflichtet ist.
Das trifft auf wenige andere Gruppierungen des Jazz in solchem Maße zu wie auf Oregon. Die Band ist Legende, nicht nur, weil sie mit ihrer 45-jährigen Geschichte zu den langlebigsten Jazzgruppen überhaupt gehört, sondern weil sie das Paradebeispiel einer besonderen musikalischen Spielart ist: der Fusion aus Jazz, europäischer Kunstmusik und Ethnoklängen verschiedenster Art, ein Gemenge, das dem Quartett in den 70er Jahren das Etikett „Weltmusik“eintrug.
Von der Urbesetzung sind noch Ralph Towner und Paul McCandless mit an Bord, beide Heroen ihrer Instrumente. Bemerkenswert, in welcher Verfassung sie sich bei ihrem Augsburger Auftritt zeigten. Towner, inzwischen 77, ist auf der klassischen Gitarre noch immer ein singulärer Klangfarbenkünstler. Sein Picking lässt ungemein variantenreich das für den Gruppensound so maßgebliche Geflecht aus melodischen Linien und Akkordstrukturen entstehen. Towner ist auch der komponierende Kopf von Oregon. Häufig ist seinen Stücken ein in Themengestaltung und Tempo gemäßigter Gestus zu eigen – eine Basis, über die der 70-jährige Paul McCandless seine feingliedrigen Improvisationen mit immer wieder wechselnden Instrumenten legt, mal mit Sopransax, mal mit Englischhorn, dazwischen mit Bassklarinette oder mit der kleinen Flöte.
Heraus kommt über weite Strecken unaufdringliche Musik, die jedoch immer im rechten Moment die Kurve nimmt, um nicht glatt und belanglos zu werden. Und zwischendrin zieht Oregon ja auch die Schraube an, atmet in schnellerem Puls und phrasiert härter wie in „The Gide“. Auch Bassist Paolino Dalla Porta exponiert sich dann mehr, während Schlagzeuger Mark Walker die Shaker zur Seite legt und statt ihrer nun entschieden Snare und Toms bearbeitet. Keine Frage, Oregon ist auf bestem Wege in die Jahre gekommen, was auch das Publikum freudig honoriert.
Mit sechs weiteren Konzerten wartet dieses Jubiläumsfestival auf, und Christian Stock, selbst Jazzbassist und am 26. Juli mit Trompeter Eddie Henderson zu hören, holt auch in diesem Jahr Weltniveau nach Augsburg – von Dave Liebman, Joe Lovano und Greg Osby (19.7.) bis zum Auftritt von Joshua Redman (2.8.). Wenn’s gut läuft, wird sich der unfreiwillige OregonMitspieler in diesen Jazzsommer auch nicht weiter einmischen.