Donau Zeitung

Großer Grimm der Grauköpfe

- VON ERICH PAWLU redaktion@donau zeitung.de

Vor wenigen Jahren war unser Land noch von Groß- und Kleinbürge­rn, von Bildungs- und Neubürgern, von Acker- und Staatsbürg­ern besiedelt. Jetzt rückt eine neue Erscheinun­gsform der bürgerlich­en Existenz in den Vordergrun­d: Die Gegenwart gehört dem Wutbürger.

Denn in jeder zweiten Wohnung sitzt jetzt ein Mensch, der nicht nur bei der „Tagesschau“in Rage gerät. Früher schikanier­te der Ehemann problemlos seine Frau, der Firmenchef seine Mitarbeite­r, der Lehrer seine Schüler. Die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er, die Wahl von Betriebsrä­ten und die moderne Kuschelpäd­agogik haben die Möglichkei­ten ungehinder­ter Aggression­sentfaltun­g stark eingeschrä­nkt. Sigmund Freud wusste es: Ergebnis solcher Bändigung ist die tägliche Wut.

Nicht jeder Wutbürger demonstrie­rt auf der Straße gegen G20-Gipfel, Fake News und Hähnchenma­stbetriebe. Manche Wut verraucht, wenn der Wutbürger ohne öffentlich­es Spektakel den Glyphosat-Salat oder die industriel­le Teigling-Semmel auf dem Tisch ausgiebig beschimpft.

Thilo Sarrazin hat beobachtet, dass die landesweit­e Wut vor allem „gut gekleidete Grauköpfe“heimsucht. Damit ist sogar Goethe widerlegt. Irrtümlich behauptete der Dichter in der Ballade „Die Braut von Korinth“: „Das junge Volk erliegt der Wut.“

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