In Lauingen wird die Kritik immer lauter
Der verkehrsberuhigte Bereich und die Tempo-30-Zone kommen bei Polizei, Bürgern und Ladeninhabern nicht gut an. Ein Geschäft möchte sogar schließen. Was sich demnächst an der Situation ändern könnte
Lauingen Uns erreichen viele Zuschriften von Lesern, die sich über die derzeitige Verkehrssituation in Lauingen beschweren. In einem anonymen Schreiben heißt es: „Ich meide Lauingen zum Einkaufen, wo es nur geht, und auch den Zahnarzt habe ich gewechselt.“Ladenbesitzer spüren Umsatzeinbußen (wir berichteten). Viele haben rechtliche Bedenken und sehen Sicherheitslücken – auch die Polizei. Die Kritik an der neuen Lauinger Innenstadt wird rund fünf Monate nach der Einführung der Tempo-30-Zone und des verkehrsberuhigten Bereichs immer lauter. Das Ganze hat aber auch etwas Positives.
Ein Ziel, das die Stadt mit dieser Änderung verfolgt, wurde erreicht: Der Schwerlastverkehr meidet die Innenstadt zunehmend, das empfindet auch Polizeihauptkommissar Harald Hämmerlein von der Polizeiinspektion Dillingen so. Der Verkehrssachbearbeiter stand schon oft am Marktplatz und hat das Geschehen beaufsichtigt.
Dabei ist Hämmerlein außerdem aufgefallen: „Wenn an der Kreuzung Brüderstraße/Herzog-Georg-Straße vier Autos warten, verständigen sich die Fahrer per Blickkontakt und Handzeichen.“Bisher ist nach Angaben der Polizei nur ein Unfall aufgrund der Änderungen passiert. Glückssache, glaubt der ehemalige Polizist Horst Böhringer. Der Dillinger hat sich aufgrund seiner Vergan- genheit als Fachlehrer für Straßenverkehrsrecht mit der Situation befasst. Auch er habe beobachtet, wie unübersichtlich die Situation für viele Autofahrer ist.
Zum Beispiel springe einem beim Verlassen des verkehrsberuhigten Bereichs nicht sofort ins Auge, dass man gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern wartepflichtig (§10 StVO) ist. „Mit der Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen allein ist es also nicht getan“, sagt Böhringer. Er fordert daher den „AhaEffekt“, den die Stadt mit einer geplanten Aufpflasterung am Marktplatz erreichen will.
Hämmerlein von der PI Dillingen kann sich vorstellen, dass das neue Konzept nach einigen weiteren Änderungen bestehen bleiben könnte. Auch die Stadtratsfraktion der FDP hat in einem Antrag an den Stadtrat konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht: Der Kreuzungsbereich Brüderstraße/Herzog-Georg-Straße/ Albertusstraße soll zum Beispiel aus dem verkehrsberuhigten Bereich herausgenommen werden. „Dann könnte man auch die Ampel wieder in Betrieb nehmen“, sagt der Polizist zustimmend. Außerdem schlägt die FDP vor, die Geiselinastraße offiziell – und nicht nur durch die Fahrbahnmarkierung, die seit Kurzem dort zu sehen ist – zur abknickenden Vorfahrtsstraße zu machen.
Verkehrsexperte Böhringer sieht es etwas drastischer. Er sagt, dass der Begriff „abknickende Vorfahrtsstraße“aufgrund der Regeln, die in einer Tempo-30-Zone gelten „widersinnig, irreführend und obendrein auch noch gefährlich“sei. „Diese Markierung verleitet in die Zone einfahrende Fahrzeugführer zu ungebremstem Fahren, da sie sich auf einer Vorfahrtsstraße wähnen.“
Hämmerlein hält eine abknickende Vorfahrtsstraße dennoch für eine gute Idee, sofern die gesetzlichen Regelungen dabei eingehalten werden. Dafür müsste jedoch – so zitiert Böhringer das Gesetz – die Tempo30-Zone an dieser Stelle aufgehoben werden, da diese nur Straßen ohne Leitlinien umfassen dürfe.
Der Dillinger Polizist Hämmerlein würde in Sachen abknickende Vorfahrt sogar noch weiter gehen. Wenn auch von der Gundelfinger Straße in die Riedhauser Straße eine abknickende Vorfahrtsstraße von der Innenstadt wegführen würde, könnte der Durchfahrtsverkehr weiter zurückgehen. Damit spricht er auch einen Kritikpunkt Böhringers an. Dieser zitiert einen Gesetzestext, wonach Straßen in verkehrsberuhigten Bereichen „nur von sehr geringem Verkehr frequentiert“werden dürfen.
Soweit zum Durchgangsverkehr. Doch was ist mit Anliegern, Eises- sern und Einkaufsbummlern? Die sollten eigentlich nicht aus der Innenstadt ferngehalten werden. Viele fühlen sich zurzeit jedoch verunsichert und wissen nicht, wie sie sich dort verhalten sollen. Das betont auch Alois Jäger von der Lauinger FDP. Bernd Brenner habe bereits Konsequenzen angekündigt. Bücher Brenner könnte es im Januar 2018 in Lauingen nicht mehr geben.
An Lauingens Bürgermeister Wolfgang Schenk ist die Kritik der Verkehrsexperten nicht spurlos vorübergegangen. Die Stadt lässt derzeit das Verkehrskonzept noch einmal prüfen – dabei sollen auch die Anmerkungen von Horst Böhringer zu Rate gezogen werden. „Das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Schenk. Man sei durchaus bereit, über Änderungen und Verbesserungsvorschläge zu beraten. Am Grundkonzept wolle man jedoch festhalten.
Böhringer stellt sich vor allem die Frage, wie die Stadt es überhaupt so weit kommen lassen konnte. Die Polizei, sagt Hämmerlein, sei im Vorfeld zu einem Ortstermin eingeladen worden. Die tatsächliche Ausführung sei im Nachhinein jedoch viel umfangreicher gewesen. Auch das Landratsamt als Aufsichtsbehörde schreibt: „Die Stadt Lauingen hat die vorgeschlagenen baulichen Änderungen nicht umgesetzt und stattdessen den verkehrsberuhigten Bereich vergrößert.“So urteilt das Landratsamt im Nachhinein: „Ziel der Stadt Lauingen war es, den Durchgangsverkehr einzuschränken. Aus Sicht des Landratsamtes wurde dieses Ziel teilweise erreicht. Im Hinblick auf den Einzelhandel wollte die Stadt die Herzog-Georg-Straße im Bereich des Marktplatzes jedoch verständlicherweise wiederum nicht vollständig für den Verkehr sperren. Sie hat insofern jedenfalls eine gangbare Mittellösung gefunden.“
Böhringer sieht in dem derzeitigen Konzept aber eher eine „Billiglösung“. »Diese Woche
„Diese Markierung verleitet in die verkehrsberuhigte Zone Einfahrende zu ungebremstem Fahren.“Horst Böhringer aus Dillingen
„Das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt. Wir lassen es derzeit prüfen.“Lauingens Bürgermeister Wolfgang Schenk