Der Mann, der alles über die Deutschen weiß
Dieter Sarreither ist Präsident des Statistischen Bundesamtes. Er kennt alle Zahlen über seine Landsleute. Bei der Bundestagswahl hat er aber noch einen anderen Job
Wahrscheinlich gibt es niemanden in Deutschland, der die Deutschen besser kennt als er. Dieter Sarreither weiß praktisch alles über sie. Wann sie aufstehen und wie viele Minuten sie zur Arbeit brauchen, wann sie heiraten und sich wieder scheiden lassen, was sie essen und trinken – und hunderttausend andere Dinge. Er ist ein Mann der Zahlen. Und je mehr Zahlen er hat, umso besser.
Als Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden ist die vollständige Vermessung der Deutschen sein Job, zur Sammlung, Aufbereitung und Analyse der aktuellen Daten gesellt sich die Untersuchung mittel- und langfristiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und auch kultureller Entwicklungen. In diesen Tagen kommt eine weitere Herausforderung auf den 65-jährigen Volkswirt und Mathematiker aus der Kurpfalz zu, der seit Oktober 2015 an der Spitze des Statistischen Bundesamtes steht. Denn traditionell ist der Wiesbadener Behördenchef auch Bundeswahlleiter und in dieser Eigenschaft für den ordnungsgemäßen Ablauf der Bundestagswahl verantwortlich. Für den in Mainz lebenden Vater zweier Töchter eine Premiere, auch wenn er bereits seit 1982 in Diensten der Bundesoberbehörde mit rund 2200 Mitarbeitern steht.
Vier Wochen vor der Wahl meldet Sarreither Vollzug – aus seiner Sicht steht einem erfolgreichen Urnengang am 24. September nichts mehr im Wege. Die nötigen Zahlen liefert er gleich mit: 61,5 Millionen Bundesbürger sind wahlberechtigt, das sind rund 400 000 weniger als vor vier Jahren, 31,7 Millionen Frauen und 29,8 Millionen Männer. Drei Millionen Jungwähler dürfen zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. 42 Parteien treten zur Bundestagswahl an, so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung 1990, davon sind immerhin 16 Parteien zum ersten Mal dabei. Um die 299 Direktmandate in den 299 Wahlkreisen bewerben sich 4828 Frauen und Männer – rund 40 mehr als vor vier Jahren. 111 Kandidaten gehören keiner Partei an. „Das bestätigt nicht die allgemeine These von der Politikverdrossenheit der Wähler“, sagt Sarreither.
Wie er seinen „Hauptkampftag“, den 24. September, verbringen wird, weiß Sarreither schon jetzt. Vormittags wird er mit der Berliner Wahlleiterin ein Wahllokal besuchen und dem Wahlleiter und den Wahlhelfern stellvertretend für die 650 000 Ehrenamtlichen, die für einen reibungslosen Ablauf der Wahl sorgen, für ihr Engagement danken und danach seine Arbeitsräume im Reichstagsgebäude aufsuchen. Gegen 15.30 Uhr gibt es eine erste Übersicht über die Wahlbeteiligung. Ab 18.00 Uhr laufen in seinem Büro die Ergebnisse aller Wahlbezirke ein. Irgendwann kurz vor Mitternacht kommt dann sein wichtigster Auftritt: Er wird das vorläufige amtliche Ergebnis und die sich daraus ergebende Sitzverteilung verkünden. Dann steht definitiv fest, wer die Wahl gewonnen hat. Sein Job ist damit erledigt – was die Parteien daraus machen, ist nicht mehr seine Angelegenheit.