Starker Rückgang im August
Die Zahl der Migranten sinkt. Ist eine libysche Miliz schuld?
Rom Der Mann der Stunde in Libyen ist der Chef der zwar schwachen, aber international anerkannten Übergangsregierung, Fajes al-Sarradsch. Er gilt nach offizieller Lesart als Hauptverantwortlicher dafür, dass die Zahl der Überfahrten von Migranten nach Italien in diesem Sommer abgenommen hat. Im August des Vorjahres erreichten noch 21 294 Menschen Italien über die zentrale Mittelmeerroute, in diesem Monat waren es bislang erst 2932, das ist ein Rückgang um etwa 90 Prozent. Bereits im Juni und Juli kamen 57 Prozent weniger Flüchtlinge aus Libyen nach Italien.
Offenbar gibt es aber auch eine zweite wesentliche Ursache für den Rückgang. Wie es heißt, unterbindet eine der zahlreichen in Libyen tätigen Milizen die Abfahrt der Flüchtlinge nahe der Küstenstadt Sabratha. In der Umgebung des 70 Kilometer westlich von Tripolis gelegenen Ortes legen die meisten Flüchtlingsboote ab. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete über eine aus mehreren hundert Zivilisten, Polizisten und Militärs bestehende Gruppe namens „Brigade 48“, die das Territorium um Sabratha kontrolliert und bis vor kurzem selbst am Menschenschmuggel beteiligt gewesen sein soll. Flüchtlinge sollen von den Mitgliedern der Bande in einem Lager zusammengepfercht worden sein. Die Miliz sei von einem früheren Mafiaboss ins Leben gerufen worden. Dieser strebe nach Legitimation und finanzieller Unterstützung durch die von alSarradsch geführte Übergangsregierung in Tripolis. Laut dem franzö- sischsprachigen Sender kooperiere die Brigade 48 auch mit anderen Milizen.
Ob die italienische Regierung, die sich als ehemalige Kolonialmacht besonders aktiv in Libyen einmischt, dieses Treiben bewusst in Kauf nimmt, ist bislang nicht bekannt. Zweifellos hat Italien großes Interesse daran, die Fluchtroute über das Mittelmeer zu schließen. Im Jahr 2016 kamen 181000 Menschen über das Meer nach Italien, dieses Jahr waren es bislang 98 000.
Innenminister Marco Minniti setzt insbesondere auf die Kooperation mit Gemeinden und Stammesführern in Libyen, um Flüchtlinge von der Überfahrt über das Mittelmeer abzuhalten. Auch die ehemalige Schlepperhochburg Sabratha profitierte zuletzt etwa von Medikamenten-Lieferungen.