Norbert Lammert sorgt sich um die Demokratie
Scheidender Parlamentspräsident ruft zum Kampf gegen Fundamentalisten auf. Was er noch von den Abgeordneten erwartet
Berlin Der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sorgt sich um die Demokratie in Deutschland. Die Deutschen wüssten aus ihrer Geschichte, „dass auch Demokratien ausbluten können“.
In der letzten Rede seiner zwölfjährigen Amtszeit appellierte Lammert, der bei der Bundestagswahl nicht mehr kandidiert, an die künftigen Abgeordneten, „nach den Abstürzen unserer Geschichte die mühsam erarbeitete Errungenschaft zu bewahren, über den Wettbewerb der Parteien und Fraktionen hinaus den Konsens der Demokraten gegen Fanatiker und gegen Fundamentalisten“zu suchen. Es müsse auch in Zukunft möglich sein, bei „ganz großen Problemen und Streitfragen, die polarisieren und das Land zu spalten drohen“, Mehrheiten im Parlament zu finden, „die größer oder anders sind als die der jeweiligen Koalition“.
Mit einer ebenso emotionalen wie eindringlichen Rede eröffnete der 68-jährige CDU-Politiker aus Bochum am Dienstag die letzte Sitzung des Bundestags in dieser Legislaturperiode, in der Regierung und Opposition über die „Situation in Deutschland“debattierten. Diese stand ganz im Zeichen des Wahlkampfes, nicht nur die Linken und die Grünen, sondern auch die SPD übten dabei zum Teil massive Kritik an der Politik der Regierung.
Zum Abschied legte Lammert den Abgeordneten ans Herz, noch mehr Selbstbewusstsein zu zeigen und die Regierung stärker als bisher zu kontrollieren. Zwar sei der Bundestag im Vergleich zu anderen Parlamenten inner- und außerhalb der EU stärker und einflussreicher „als die meisten Parlamente auf diesem Globus“, gleichwohl sei er „nicht immer so gut, wie er sein könnte – und auch sein sollte“, bemängelte er. Die Abgeordneten sollten sich stets daran erinnern, dass sie nach dem Grundgesetz das ganze Volk vertreten und nicht an Aufträge und Weisungen gebunden seien. Gleichzeitig bemängelte Lammert, der als hervorragender Redner gilt, die Debattenkultur im Hohen Haus. Es habe zwar „zweifellos herausragende Debatten“gegeben, aber in der Regel werde „noch immer zu viel geredet und zu wenig debattiert“.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertreter aller Parteien dankten Lammert für seine faire Amtsführung, seinen Humor und sein beharrliches Eintreten für die Rechte der Opposition. Merkel betonte, dass es ihm immer wieder gelungen sei, „einvernehmliche Lösungen“zwischen Regierung und Parlament zu finden, beispielsweise bei der Verabschiedung der Euro-Rettungspakete.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erinnerte daran, dass Lammert in seiner eigenen Fraktion nicht unumstritten war und dort wegen seiner Eigenmächtigkeiten und seines selbstbewussten Auftretens als „der Unfehlbare“verspottet wurde. „Unfehlbar sind Sie nicht, aber Sie werden uns fehlen.“Dazu der Kommentar. Mehr zur Bundestagsdebatte finden Sie auf Politik.