Abstimmungsbedarf
Vom Knigge für wackere Haustürkämpfer, arabischen Zahlen und dem ultimativen Kartenspiel gegen Wahlmüdigkeit
Das mit diesen Fernseh-Duellen und dem modernen Fünfkampf um den dritten Platz ist ja ganz nett, aber mal ehrlich: Die Wahrheit liegt doch auf dem Platz, also auf der Straße. Dort, wo sich wackere Wahlkämpfer in diesen Tagen in bunten Outdoor-Jacken von Haustüre zu Haustüre kämpfen, um die Sache mit den Zweitstimmen zu erklären. Und damit da auch ja nichts schiefgeht, gibt die SPD ihren Leuten sicherheitshalber einen Wahlkampf-Knigge mit. Erstes Gebot: „Wir klingeln nicht bei Dunkelheit!“Schließlich will man nicht mit einem Dämmerungseinbrecher verwechselt werden. Auch wichtig: „Bummel nicht rum!“Spätestens nach drei Minuten sollte das Gespräch vorbei sein. Je nachdem, an wen man gerät, kann die Tür natürlich auch schon nach drei Sekunden zuknallen. Deshalb sollen die Schulzianer unbedingt vorher das „Revier checken“. Also Hochhaussiedlung statt Bonzenviertel. Dort würde man sich eh nur mit den „Mitbewerbern“in die Quere kommen. Die CDU trainiert ihre Stimmenfänger übrigens am Computer auf den Nahkampf mit dem Wähler. Sie können an drei verschiedenen virtuellen Haustüren klopfen und üben: Wer Pech hat, landet direkt beim „Wutbürger“. Besser wäre da schon der „Unentschlossene“– da ist immerhin noch nicht alles verloren. Und wenn es richtig gut läuft, macht sogar ein „CDUAffiner“im Angie-Pulli auf.
Damit man nicht zweimal die gleiche Klingel drückt, werden Straßen und Hausnummern natürlich „abgehakt“. Womit wir bei einer kuriosen Geschichte aus dem Saarland wären. Dort hat ein Politiker der rechtsextremen NPD gezeigt, wohin die Angst vor der Islamisierung des Abendlandes führen kann. Der Mann greift nach der Macht in der alten Bergbaustadt Völklingen – und reagierte recht humorlos auf die Scherzfrage, was er davon halte, dass immer mehr Deutsche ihre Häuser mit arabischen Ziffern kennzeichnen. „Da warten Sie ab, bis ich Oberbürgermeister bin. Da werde ich das ändern, da werden noch mal normale Zahlen drankommen!“Was ist schon normal?
Aber zurück zu unseren Straßenwahlkämpfern. Deren Beliebtheit hängt ja in erster Linie davon ab, was sie dem Wähler zu bieten haben. Nein, nicht programmatisch. Eher so Fanartikel-mäßig. Im FDP-Shop zum Beispiel gibt es zwar entgegen allen bösen Gerüchten nicht das neue Parfum C&L von Christian Lindner, dafür aber total hippe Warnwesten. Vor wem da gewarnt wird, konnten wir bislang nicht herausfinden. Die Grünen verteilen Luftballons am „ÖkoFaden“(kein Witz). Die CSU bringt grüne (!) Äpfel unters Volk. Und die Alternative für Deutschland peilt offenbar den Sprung über die Fünf-Promille-Hürde an und wirbt auf der Rückseite eines Bierdeckels um neue Mitglieder. Unser persönliches Lieblingsding dieses Wahlkampfes gibt es übrigens bislang in keinem Partei-Shop: Mit dem „Populisten-Quartett“kann man 32 Volksversteher aus aller Welt gegeneinander ausspielen. Die Partie ist beendet, wenn ein Spieler gleichzeitig Erdogan, Trump und Putin („Dreister Drilling“) oder vier AfD-Politiker („Völkischer Vierer“) auf der Hand hat und laut „Putsch“ruft. Dieses Spiel hilft garantiert gegen jede Form der Wahlmüdigkeit. Manchmal ist Humor eben das Einzige, was noch hilft.