Die große Angst vor „Irma“
Experten stufen den Wirbelsturm als historisch ein. Auf den Karibik-Inseln hat er große Schäden angerichtet, mindestens zwei Menschen starben. Nun zittern Haiti und Florida
Marigot Mit zerstörerischer Kraft ist Hurrikan „Irma“durch die Karibik gefegt. Der Wirbelsturm der höchsten Kategorie 5 erreichte gestern die Insel Barbuda und zog dann nach Saint-Barthélemy und Saint-Martin weiter, wo ganze Küstenabschnitte verwüstet wurden. Mindestens zwei Menschen kamen dort ums Leben. Zwei weitere wurden schwer verletzt, wie die französische Regierung gestern Abend bestätigte.
Rund anderthalb Stunden verweilte das Auge des als „potenziell katastrophal“eingestuften Hurrikans auf dem französischen Überseegebiet Saint-Barthélemy, das besonders beim internationalen Jetset beliebt ist, dann erreichte es die zwischen Frankreich und den Niederlanden geteilte Insel Saint-Martin.
Der französische Wetterdienst berichtete von heftigen Springfluten. Ganze Küstengebiete seien bereits überschwemmt. Die Ministerin für die französischen Überseegebie- te, Annick Girardin, berichtete von „größeren Schäden“auf den betroffenen Inseln. So habe der Sturm die Dächer von vielen Häusern fortgerissen. Trotz der höchsten Alarmstufe weigerten sich laut Girardin aber rund 7000 Menschen bis zuletzt, ihre Häuser zu verlassen.
Das Meer „brandete mit extremer Gewalt“an die Küsten, teilte der französische Wetterdienst mit. Bevor seine Instrumente im Sturm zerstört wurden, wurden Böen mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von 360 Stundenkilometern gemessen. Örtliche Medien berichteten von „kolossalen Schäden“auf SaintMartin. Auf Videoaufnahmen waren in den Fluten treibende Autos und herrenlose Boote zu sehen. Noch bevor der Sturm mit einer Ausdehnung von der Größe Frankreichs auf Land traf, hatte ihn das Nationale Hurrikanzentrum der USA auf die höchste Kategorie hochgestuft. Damit ist „Irma“noch stärker als „Harvey“, der Ende August die USBundesstaaten Texas und Louisiana heimsuchte. Schon jetzt sei der Hurrikan als „historisch“einzustufen: Seit Beginn der Aufzeichnungen habe noch kein Sturm auf dem offenen Atlantik eine solche Stärke erreicht. Inzwischen nahm „Irma“Kurs in Richtung Jungferninseln und Puerto Rico auf, wo er mit Anbruch der Nacht (Ortszeit) erwartet wurde. Die weitere Route ist noch unklar, laut verschiedenen Vorhersagen bedroht er auch Haiti und Florida. Örtliche Wetterdienste rechnen damit, dass die ersten Winde und Regenfälle Florida morgen erreichen könnten. US-Präsident Donald Trump rief für Florida sowie für die US-Außengebiete Puerto Rico und Virgin Islands den Notstand aus, dadurch werden Bundesmittel freigegeben. Der Gouverneur von Puerto Rico, Ricardo Rossello, ließ Notunterkünfte für bis zu 62 000 Menschen öffnen. Floridas Gouverneur Rick Scott sagte, „Irma“sei eine „ernste Bedrohung für den ganzen Bundesstaat“. Touristen wurden aufgefordert, die Urlauberinsel Key West zu verlassen. In Miami Beach bereiteten sich die Menschen mit Hamsterkäufen vor. In einem Supermarkt standen ganze Regalreihen leer.
In Haiti dagegen wusste die Bevölkerung zunächst gar nichts von der drohenden Katastrophe. Vor allem die Bewohner in den besonders gefährdeten Armenvierteln des Not leidenden Inselstaats waren gestern noch ahnungslos. Die Behörden müssen zudem ohne die Hilfe der UN-Stabilisierungsmission auskommen, die in Erwartung ihres baldigen Mandatsendes bereits einen Großteil ihrer schweren Ausrüstung abgezogen hat. So stehen für die rund eine Million Menschen, die rund um die Hafenstadt Cap-Haïtien leben, ganze drei Krankenwagen zur Verfügung.