Völlig losgelöst
Wer bei Harti Waitl das Gleitschirmfliegen lernt, macht das vor einer der beeindruckendsten Kulissen in ganz Bayern. Was den Mann am Spiel mit der Luft so fasziniert
Schwangau Der Traum vom Fliegen treibt Harti Waitl um. Nicht erst seit gestern, sondern schon ganz lange. Genau genommen seit er denken kann. Fragt man ihn nach dem Warum, antwortet er: „Fliegen ist für mich der absolute Hammer.“Waitl ist 52 Jahre alt und betreibt seit mittlerweile 19 Jahren eine Flugschule im Allgäu. Direkt am Fuße des Tegelbergs und damit unmittelbar neben dem weltweit bekannten Schloss Neuschwanstein hat der gebürtige Füssener zig Schülern das Fliegen beigebracht – mit Drachen und Gleitschirmen.
Schon Papa Waitl war passionierter Flieger – und Sohn Harti fliegt, seit er ein Bub ist: „Mit 14 hab’ ich mir die Gerätschaften meines Vaters aus der Garage geschnappt, bin auf den Berg rauf und einfach losgeflogen.“Schon während der Schulzeit arbeitete er als Fluglehrer und verbrachte jede freie Minute in der Luft. Weil ein junger Mann, der Perspektive wegen, aber lieber etwas Handfestes lernt, absolvierte Waitl nach der Schule eine Ausbildung zum Elektriker. Glücklich machte sein Job ihn nie. Das Fliegen schon. Der Ablauf nach Feierabend war immer derselbe: „Schnell nach Hause, Zeug packen und rauf auf den Berg“, sagt er. Er habe sich oft gefragt, was er eigentlich am besten könne, und dann beschlossen, eine zum Verkauf stehende Flugschule zu kaufen – die am Tegelberg. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“Es bereitet ihm Freude, andere für seine Passion zu begeistern.
Der Flugsport boomt. Für Waitls Schule ist das ein Segen. Genau wie Neuschwanstein. „Das Schloss ist natürlich das Highlight unserer Region und damit der absolute Touristenmagnet“, sagt Schwangaus Tourismusdirektorin Petra Köpf. Mehr als 700 000 Übernachtungen verzeichne die Gemeinde pro Jahr. Viele der Gäste seien Flieger, sagt Köpf. Über das sagenumwobene Schloss zu fliegen sei ein großes Erlebnis. Aber: Die Zahl der Leute, die das Schauspiel lieber mit sicherem Boden unter den Füßen betrachten, steige auch.
Stichwort „sicherer Boden“: Obwohl weder das Gleitschirm- noch das Drachenfliegen als gefährliche Sportarten gelten, bleiben Verletzungen nicht aus. Die häufigsten sind Brüche – meist Knöchel von Füßen und an Armen. „Natürlich gibt es eine gewisse Unfallgefahr“, erklärt Waitl. „Deswegen ist eine gute Ausbildung ja so wichtig.“
Der Flugsport ist mittlerweile streng reglementiert. Wer fliegen will, braucht eine Ausbildung, bestehend aus einem mindestens fünf Tage dauernden Theorie- und Praxiskurs. Erst nach bestandener Prüfung gibt’s die Flugerlaubnis.
Für Waitl ist das Fliegen die Erfüllung. „Wenn du fliegst, ist alles ruhig“, sagt er. „Da spürst du die absolute Freiheit. Das Spiel mit der Luft ist brutal entspannend, das ist genial.“