Donau Zeitung

Jetzt kann sie wieder lachen

Sigrid Baumanns Mann war gerade 50 Jahre, da schaltete sie den Hospizdien­st ein. Ihr Michael starb, der Kontakt zu den Ehrenamtli­chen blieb. Nun feiert der Dienst Jubiläum

- VON CORDULA HOMANN

Osterbuch/Dillingen Ohne den Hospizdien­st, sagt Sigrid Baumann aus Osterbuch, hätte sie es damals nicht geschafft. Nie zuvor hatte sie sich mit dem Thema beschäftig­t. Doch der Hospizdien­st ist nicht nur in Altenund Pflegeheim­en tätig. Inzwischen ist der Mann von Sigrid Baumann seit fast einem Jahr tot. Dennoch hat die dreifache Mutter immer noch den Kontakt zu den ehrenamtli­chen Helfern. In diesem Jahr feiert der Hospizdien­st Dillingen sein 20. Bestehen. Weil immer Menschen gesucht werden, die sich dort engagieren, erzählt Sigrid Baumann ihre Geschichte.

Irgendwann im Frühjahr 2015 hatte es angefangen, da war ihr Michael noch keine 50 und nach der Arbeit völlig erledigt. Er hatte Schlafstör­ungen und war mit seinen Kräften völlig am Ende, als ihn der Arzt schließlic­h im September 2015 wegen Burn-out krankschri­eb. „Jeder sagte damals, ja klar, er hatte ja auch eine hohe Belastung im Job“, erinnert sich Sigrid Baumann. Die Antidepres­siva halfen ihrem Mann aber nicht. Er kam stattdesse­n völlig aus dem Gleichgewi­cht, bekam Sprachprob­leme und war benommen, bis die Medikament­e abgesetzt wurden. Doch dem 1,90 Meter großen Mann ging es trotzdem nicht besser. Selbst in seinem eigenen Haus in Osterbuch fand sich Michael Baumann immer schlechter zurecht. Kaum war das Mittagesse­n vorbei, konnte sich der inzwischen 50-Jährige nicht mehr daran erinnern. Immer wieder fiel oder stolperte er, die Familie konnte ihn kaum alleine lassen. Am Dreikönigs­tag 2016 alarmierte Sigrid Baumann den Notruf. Nach einer dreiwöchig­en Reha begann eine Tour durch diverse Krankenhäu­ser, überall suchte die Familie nach Hilfe. Erst wurde eine Form der Demenz vermutet, eine Ulmer Professor tippte schließlic­h auf die Creutzfeld­t-Jakob-Krankheit, eine neurologis­che Erkrankung, die etwa 60 Menschen pro Jahr in Deutschlan­d trifft. Doch der Gesundheit­szustand des einst so fröhlichen Mannes verschlech­terte sich zusehends, in Ulm konnte er auch nicht bleiben. Immer wieder büxte er aus und irrte dann hilflos umher, konnte sich dabei aber kaum auf den Beinen halten. „Der Professor riet mir auch davon ab, Michael zuhause zu pflegen. Das würde sehr schwierig werden“, erinnert sich Sigrid Baumann. Aber so schnell aufgeben wollte sie nicht.

Als ihr Mann wieder nach Hause durfte, hielt sie die ganze Nacht über im Bett seine Hand. Irgendwann schlief sie ein. Am nächsten Morgen irrte Michael im Schlafanzu­g über den Hof. Einige Zeit später brach er sich einen Lendenwirb­el und es ging weiter ins Wertinger Krankenhau­s. Nachts blieb seine Frau bei ihm, tagsüber halfen Familie und Freunde mit, denn auch dort stießen die Pfleger an ihre Grenzen. Sigrid Baumann hatte einen Teil- zeitjob, versuchte parallel, sich um die drei Kinder zu kümmern und um die Frage, was aus ihrem Mann wird. „Irgendwann wusste ich, daheim pflegen können wir ihn nicht“, musste sie sich eingestehe­n. Damals hatte sie bereits mit dem Hospizdien­st Kontakt. Die Bestätigun­g der Ehrenamtli­chen für diese Entscheidu­ng, tat Sigrid Baumann gut, den leicht fiel sie ihr nicht. Doch der Aufwand wurde immer größer.

Im Dillinger Pflegheim sorgte Michael Baumann dann im Rollstuhl für Furore. Nur mit der Hospizhilf­e wäre es dort auch nicht gegangen, erinnert sich Birgit Hofmeister, leitende Koordinato­rion des Ambulanten Hospiz- und Palliativb­eratungsdi­enstes des Caritasver­bandes. Es gab einen richtigen Dienstplan für den Freundeskr­eis. Und eine Whatsapp-Gruppe mit dem Titel „Michaels gute Engel“. „Er hat sich über jeden Besucher riesig gefreut, aber seine Mobilität war ein Problem“, erinnert sich Birgit Hofmeister. Viel zu oft jagte der 50-Jährige, der bis zum Tod ein „Schlitzohr“gewesen sein soll, mit seinem Rollstuhl zwischen den Senioren durch die Flure, teils wurde es zu gefährlich für die anderen Bewohner. Die letzte Station wurde schließlic­h das Pflegeheim St. Klara in Wertingen. Dort hatte der Patient zuvor jahrelang seinen dementen Vater besucht, das Personal kannte ihn also gut und nahm sich seiner an. Auch die Hospizhelf­erin, die Michael an allen Standorten regelmäßig betreut hatte, ging den Weg mit. „Sonst wäre ich völlig hilflos gewesen“, erinnert sich Sigrid Baumann. Neben der Pflege überforder­te sie oft die Bürokratie. Und daheim standen die drei Kinder unter Schock. Dennoch hätten sich alle vier gegenseiti­g geholfen. „Meine Kinder sind mir bis heute eine Stütze.“

Im November 2016 starb Michael Baumann mit 51 Jahren. „Ich habe eine Anleitung dafür gebraucht, wie man mit dem Sterben umgeht“, sagt seine Frau. Auch die bekam sie vom Hospizdien­st. Und Michaels Betreuerin hielt bei der Beerdigung eine Rede, sprach aus, was Sigrid Baumann sagen wollte, aber nicht konnte. „Der ganze Ort hat mich so unterstütz­t, das war Wahnsinn.“Kränze gab es auch keine, stattdesse­n konnte jeder eine Blume mitbringen. Auch die Zahl der Trauerrede­n wurde reduziert. Manche von Michaels Freunden engagieren sich jetzt ehrenamtli­ch, weil ihnen die Pflege sogar Spaß gemacht hat.

Über den nächsten Kurs zur Vorbereitu­ng für ehrenamtli­che Hospizbegl­eiterinnen und Begleiter kann man sich übrigens am Montag, 9. Oktober, unverbindl­ich informiere­n. Los geht es um 19 Uhr im Konferenzr­aum des Caritasver­bandes Dillingen, Regens Wagner Straße 2, 1. Stock.

OBenefizko­nzert

20 Jahre Hospizdien­st Dillingen werden groß gefeiert. Dazu findet am Sonntag, 8. Oktober, ein Benefizkon­zert mit den Pic cadillys und Concestro Latino unter der Leitung von Klaus Nürnberger statt. Kar ten gibt es beim Caritasver­band und im Bürgerbüro der Stadt Dillingen. Das Kon zert beginnt um 18 Uhr im Dillinger Stadt saal.

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Foto: dpa Der Hospizdien­st Dillingen feiert sein 20. Bestehen. Dazu findet am Sonntag, 8. Oktober, ein Benefizkon­zert mit den Piccadilly­s und Concestro Latino im Dillinger Stadtsaal statt.

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