Freie Fahrt für unfreie Bürgerinnen
Das erzkonservative Königreich erlaubt Frauen als letztes Land der Welt das Autofahren. Das ändert aber nichts daran, dass es ein Netz von Bevormundungen gibt
Riad Mit der Erlaubnis zum Steuern eines Autos gewinnen Frauen in Saudi-Arabien ein kleines Stückchen Freiheit hinzu. Wirklich frei sind sie deshalb noch lange nicht: Sie unterliegen in dem erzkonservativen islamischen Königreich weiterhin vielen Einschränkungen. Besonders einengend ist das System der männlichen Vormundschaft: Es bedeutet, dass ein männlicher Vormund – meistens der Vater, Ehemann oder Bruder – die meisten Entscheidungen im Leben einer Frau trifft.
So muss eine Saudi-Araberin um Erlaubnis bitten, wenn sie studieren oder eine Reise unternehmen will. Aber auch einer ärztlichen Behandlung muss ihr männlicher Vormund zustimmen. Generell dürfen Frauen im Königreich der Saud-Dynastie keinen Umgang mit Männern haben, die nicht zum engen Familienkreis gehören. Andernfalls droht ihnen eine Gefängnisstrafe. Nach dem Absitzen einer solchen Freiheitsstrafe kann der Vormund dann entscheiden, ob er die Entlassung seines Mündels unterzeichnet – sonst bleibt die Frau in Obhut des Staates. Eine viel beachtete Ausnahme wurde zum Nationalfeiertag am vergangenen Wochenende gemacht: Frauen war es erstmals erlaubt, ein Sportstadion zu betreten, um dort mitzufeiern. Allerdings saßen sie in einer Familienabteilung – fernab von Single-Männern.
Auch für die Heirat gibt es Auflagen. Wie in den meisten arabischen Ländern ist es Musliminnen verboten, Nicht-Muslime zu ehelichen. Darüber hinaus hat das saudiarabische Komitee für islamische Forschung und den Erlass von Fatwas verfügt, dass eine Frau sunnitischen Glaubens keinen „schiitischen Mann oder einen Kommunisten (Atheisten)“heiraten darf. Während einige Beschränkungen für Frauen offiziell aufgehoben wurden, werden sie von Fall zu Fall von besonders religiösen Eiferern dennoch angewandt.
So braucht eine Saudi-Araberin zwar eigentlich keine Erlaubnis mehr, um arbeiten gehen zu dürfen. Doch verlangen Arbeitgeber nach Angaben von Aktivisten immer noch die Zustimmung des männlichen Vormunds, bevor sie eine Frau einstellen. Die Kleiderordnung in Saudi-Arabien sieht für Frauen eine Abaja, einen langen schwarzen Mantel, und die Vollverschleierung vor. Letzteres wird aber nur selektiv überprüft. In der Hauptstadt Riad haben manche Saudi-Araberinnen begonnen, ihr Gesicht zu zeigen. Bislang waren höchstens ihre Augen
Aktivistinnen jubeln, haben aber bereits ein neues Ziel
zu sehen. Ausländische Frauen mussten sich früher ebenfalls verschleiern. Inzwischen brauchen sie nur noch die Abaja zu tragen.
Die Aktivistin Manal al-Scharif jubelte am Dienstag über die Aufhebung des Fahrverbots. Sie hatte 2011 die Protestbewegung gegen das Fahrverbot für Frauen, „Women2Drive“, ins Leben gerufen. Und sie stimmte bereits auf den nächsten Kampf ein – diesmal gegen das System der männlichen Vormundschaft: Nun gehe es um #IamMyOwnGuardian (Ich bin mein eigener Vormund), schrieb al-Scharif auf Twitter.