Chancen für Schüchterne
Kommunikation ist in vielen Jobs das A und O. Doch was, wenn man eher in sich gekehrt ist? Dann muss das noch keine Karrierebremse sein. Denn auch für ruhigere Typen gibt es passende Stellen
Düsseldorf/Nürnberg Manche Menschen sind eher in sich gekehrt und keine Plaudertaschen – und arbeiten auch im Berufsleben lieber still vor sich hin. „Das Team bin ich!“würden sie am liebsten im Bewerbungsschreiben oder im Vorstellungsgespräch verkünden. Aber Vorsicht: Dieser Satz kommt selten gut an. „Teamfähigkeit ist ein absolutes Muss“, sagt Julia Siems, Beraterin in Düsseldorf bei der Karriereberatung Von Rundstedt. Das ist im Berufsleben so, privat aber auch. Denn irgendwie ist jeder Teil einer Gemeinschaft – ob das nun die Familie, der Freundeskreis oder der Verein ist. Überall muss man sich einfügen, Kompromisse schließen und sich auch mal selbst reflektieren.
Und das können zum Glück auch die eher stillen Wasser: Denn wenn Menschen introvertiert sind und gerne für sich arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht teamfähig sind. Über den Begriff Teamfähigkeit gibt es zum Teil ohnehin diffuse Vorstellungen. Für Thomas Röser vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung bedeutet Teamfähigkeit nicht, „ständig mit allen Kollegen bestens auszukommen, sich anderen kompromisslos unterordnen zu müssen, sich für seine Meinung zu schämen oder gar seine eigene Persönlichkeit aufzugeben“. Vielmehr ist jemand teamfähig, der sich in einer Gruppe einordnet, die Hierarchie in diesem Bereich anerkennt, sich an Abmachungen hält und mit Gleichgestellten auf Augenhöhe kommuniziert. Hinzu kommen weitere Faktoren: Respekt für die Meinungen anderer, Rücksichtnahme, Kritikfähigkeit.
An erster Stelle steht aber natür- lich, dass man mit anderen auf ein Ziel hinarbeitet. „Das muss aber nicht zwangsläufig in Gruppenarbeit oder in einem Großraumbüro erfolgen“, erläutert Röser. Auch in einem ruhigen Winkel, in einem Einzelbüro oder im Homeoffice lässt sich die Arbeit gut erledigen.
Und was, wenn jemand tatsächlich nicht oder wenigstens weniger teamfähig ist? Dann sollte man an sich arbeiten, rät Martin Lieneke von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. So kann man etwa abends den Tag Revue passieren lassen, sich überlegen, was gut und was weniger gut gelaufen ist, und daraus dann Schlüsse ziehen, was man am nächsten Tag gegebenenfalls besser machen kann.
Ist jemand eher introvertiert, muss er sich dagegen nicht ändern. Er sollte aber vielleicht einen Beruf ausüben, in dem es zum Beispiel weniger Kundenkontakt gibt. „Einer, der im Gespräch sehr verschlossen ist und dem man jedes Wort quasi aus der Nase ziehen muss, sollte wohl nicht gerade den Beruf des Veranstaltungskaufmanns wählen“, erklärt Lieneke.
In bestimmten Berufen der Finanzwelt sind stille Menschen aber sogar besonders gut: etwa als Buchhalter, als Wirtschaftsprüfer, als Controller oder als Sachbearbeiter im Finanzamt. „Bei diesen Tätigkeiten kann es vielleicht sogar zwingend sein, dass man statt zu reden sich hoch konzentriert in Zahlen vertieft“, sagt Röser.
IT-Spezialisten oder Techniker brauchen ebenfalls nicht zwingend eine ausgeprägte kommunikative Ader – sie sind eher darauf fokussiert, Programme zu entwickeln und bei Problemen die richtige Lösung zu finden. Wer für sein Unternehmen die Social-Media-Kanäle bedient, hat wenig Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, sondern bleibt eher schriftlich im Kontakt mit der Außenwelt.
Job-Gelegenheiten für Introvertierte gibt es also genug. Deshalb schadet es auch nicht, selbstbewusst dazu zu stehen. „Niemand sollte sich bei einer Bewerbung als kommunikationsstark und extrovertiert darstellen, wenn er es definitiv nicht ist“, empfiehlt Lieneke. Stattdessen kann man sich etwa als „gewissenhaft“beschreiben, als „Tüftler“oder auch mitteilen, dass man im Berufsalltag eine Zeit des Rückzugs braucht, um Ideen zu entwickeln.
Bewerber um einen Arbeitsplatz, die gerne für sich arbeiten, sollten sich am besten gleich beim Vorstellungsgespräch erkundigen, ob es auch Rückzugsmöglichkeiten gibt oder ob die Arbeit dann und wann auch im Homeoffice erledigt werden kann, rät Siems. Ist dies nicht der Fall, dann passt es einfach nicht. „Dann sollte der Arbeitnehmer sich nach einem anderen Unternehmen umsehen.“