Totentanz in Bad Wörishofen
Ein glänzendes Finale 2017, Jonas Kaufmann 2018 bereits ausverkauft – die Zukunft aber scheint fraglich
Bad Wörishofen Bevor es um die Kunst gehen kann, und da diesmal nicht in lichte Höhen, sondern in unheimliche Tiefen, zum AllzuWeltlichen. Die Haushaltslage ist sehr angespannt – trotzdem ist die Stadt Bad Wörishofen sehr interessiert daran, das „Festival der Nationen“fortzuführen. Das betonte Bürgermeister Paul Gruschka am Abschlussabend des diesjährigen Programms. Doch dazu ist in Zukunft wohl Hilfe nötig.
Gruschka will künftig den Freistaat Bayern mit ins Boot holen und eine Förderung des Festivals beantragen. Mit Festival-Intendant Winfried Roch ist er sich einig, dass gerade das umfangreiche Angebot für Kinder und Jugendliche weitergeführt werden sollte: Workshops, pädagogisch-musikdidaktisch aufbereitete Kinder- und Jugendkonzerte sowie das Nachwuchssinfonieorchester der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.
Dem „Festival der Nationen“gelingt es inzwischen, generationenübergreifend klassische Musik zu vermitteln. Allein in diesem Jahr besuchten über 2000 Kinder und Jugendliche Konzerte des „Festivals der Nationen“. Aber: Man müsse auch „nachhaltig das künstlerische Niveau halten“, betonte der Bürgermeister. Im kommenden Jahr etwa gibt es ein Sonderkonzert mit Jonas Kaufmann. Die Karten dafür sind bereits wenige Tage nach Beginn des Vorverkaufs vergriffen.
Aber nun zum künstlerischen Finale des diesjährigen Festivals am Samstagabend im Kurhaussaal. Und hier gab es Groteskes, Unheimliches: ein „col legno“, das Anschlagen der Streichersaiten mit dem Holz des Bogens etwa. In dem 1865 veröffentlichten „Totentanz“von Franz Liszt illustriert diese Spielart das Knacken der Knochen, illustrieren Glissandi am Klavier das Sausen der Sense und die virtuos klappernden Martellato-Figuren im Diskant den Tanz der Skelette auf dem Friedhofsacker. Drastisch plastisch verarbeitet der Komponist in der Konzertparaphrase für Klavier und Orchester den gregorianischen „dies irae“-Choral über den Tag des Zornes, der hier mit universalem Getöse beginnt. In Dur verwandelt sich das drohende Thema in elysische Lieblichkeit, und Liszt treibt die Mutation sogar bis zum Saloncharakter, in den sich auch Paganinis Themen zu mischen scheinen.
Zu spielen und zusammenzuspielen ist diese visionäre Programmmusik für Orchester wie Solist kniffelig, und so ist sowohl der Pianistin Alice Sara Ott wie dem Münchner Rundfunkorchester unter Dirigent Mischa Damev höchster Respekt zu zollen. Alle drei fanden bis aufs Pizzicato-Tüpfelchen präzise zueinander. Die 29-jährige Künstlerin Ott, die auch die perfekte Handspanne hat für Liszts Oktaven-freudige Tonsprache, faszinierte mit absolut sicherem, fulminantem Spiel, einer großen Bandbreite an Virtuosität und Anschlagsfarben von knochentrocken bis lyrisch und mit hauchzarten Pianissimi ebenso wie das Orchester übertönender Kraft. Ein Genuss – bis zum anschließenden Chopin-Encore, purer Musik und herausragend, beseelt gegeben.
Leider konnte der zweite Solist des Abends, der 16-jährige Violinist Daniel Lozakovich, wegen einer Handverletzung nicht auftreten. So blieb es bei Liszt und Tschaikowskys 3. Sinfonie sowie seiner Ouvertüre zu Shakespeares „Romeo und Julia“, mehr Nacherzählung als „Opener“. Auch Tschaikowsky zeigte Vielseitigkeit, begann und endete seine dritte kraftmeierisch polternd, bezauberte aber am meisten in den lyrischen und tänzerischen Sätzen. Auch hier begeisterte das Rundfunkorchester – und gerade die Bläser – mit bewundernswerter Präzision und sauberer Intonation, das sich die Bravi nicht nur mit seinem beklatschten Forte-Spiel, sondern gerade auch den Nuancen und Farben verdient hatte.
Der Spiel der Alice Sara Ott: der reinste Genuss