Was die neue Regierung für Anleger tun muss
Die Bundesregierung stellt sich nach der Wahl neu auf. Damit stellt sich die Frage, welche Wünsche der Anleger an die neue Bundesregierung hat.
● Nachhaltiges und langfristiges Sparen und Anlegen muss steuerlich gefördert werden. Vorstellbar ist zum Beispiel eine degressive Steuer, die gekoppelt wird an die Haltedauer der Aktien, wie sie einige andere europäische Länder kennen. So wird der Gewinn aus einer Aktienanlage nach einer gewissen Haltedauer von drei, sechs, beziehungsweise zehn Jahren stufenweise besteuert. Je länger die Aktie gehalten wird, umso geringer ist die auf den Gewinn entfallene Steuer. Bei einer zehnjährigen Haltedauer könnte man an eine Reduzierung der Steuer auf null denken.
● Die Minderheitenrechte der Ak tionäre müssen gestärkt werden. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren wurde sie massiv abgebaut. Das deutsche Aktienrecht ist eines der ältesten heute noch geltenden Gesetze. Es ist in seiner Zusammensetzung vorbildhaft und sollte nicht durch Einzeleingriffe in seiner Gesamtkonzeption verändert werden. Aus der Politik kommen immer wieder Forderungen, dass die Rechte der Aktionäre an Mindestquoten gebunden werden. So gab es die Idee, dass Aktionäre auf der Hauptversammlung nur dann sprechen können und dürfen, wenn sie 100 bis 1000 Aktien an der Gesellschaft halten. Gleiches wurde auch für die Erhebung einer Anfechtungsklage angedacht. Bisher gilt, dass eine Aktie eine Stimme und damit auch jedes Recht aus dem Aktiengesetz repräsentiert. Daran verknüpft ist zum Beispiel das Rederecht. Diese Minderheitsrechte dürfen nicht angetastet werden. Sie müssen geschützt und gestärkt werden.
● Aktien- und gesellschaftsrechtliche Verfahren vor Gericht müssen beschleunigt werden. Verfahren, in denen die Angemessenheit einer Abfindung, die einem Aktionär nach einem Squeeze Out oder einem Beherrschungsvertrag zusteht, überprüft wird, dürfen nicht Jahre dauern. Auch die Verfahren im Rahmen des Kapitalanlegermusterverfahrensgesetzes (KapMuG) dauern viel zu lange. Das erste Musterverfahren für das KapMuG erlassen wurde, ist das Telekom-Verfahren. Dieses ist bis heute nicht abgeschlossen. Der Rechtsstreit bewegt sich immer noch im Musterverfahren. Über die Schadensersatzansprüche der geschädigten Telekom-Aktionäre hat das Landgericht noch nicht einmal entschieden. Hier muss dringend eine Vereinfachung und Beschleunigung gefunden werden.
● Der Gesetzgeber sollte sich nun auch an eine offene Sammel klage herantrauen. Bei sogenannten Massenverfahren darf der einzelne nicht mehr gezwungen werden, selbst Klage erheben zu müssen, um seine Ansprüche über eine mögliche Verjährungsfrist hinweg zu retten.
● Der Gesetzgeber muss den Dschungel der Formulare, die ein Anleger bei einem Bankgeschäft unterzeichnen muss, lichten. Die vom Gesetz geforderten Aufklärungsund Beweisprotokolle haben dazu geführt, dass der Anleger nicht mehr beraten wird, da Aufwand und Anforderungen für die Finanzinstitute zu hoch sind. Die bürokratischen Hürden gehören zugunsten einer Beweislastumkehr bei der Anlageberatung abgeschafft. Damit wird der Anleger geschützt, gleichzeitig haben die Finanzdienstleister wieder Zeit zu beraten und nicht nur zu verwalten und Formulare auszufüllen.
● Auch die Abgeltungsteuer Dividenden gehört reformiert. Hier liegt aktuell eine massive Doppelbesteuerung vor. Die Rückkehr zum sogenannten Halbeinkünfteverfahren scheint hier zusammen mit einer deutlichen Erhöhung des Sparerfreibetrages notwendig, damit der Deutsche, der einen Teil seiner Altersvorsorge durch Sparen und Anlegen im Sinne und zugunsten der Allgemeinheit übernimmt, nicht bestraft wird. auf
Daniela Bergdolt ist Fach anwältin für Kapitalmarkt recht und Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereini gung für Wertpapierbesitz.