Vom Straßenschild zur Kunst
Schüler des Sailer-Gymnasiums wollen mit ihrem Projekt „Street Art“neue Perspektiven zeigen
Dillingen In jeder Stadt findet sich das typische blaue Verkehrsschild. Es gibt einen Sonderweg für Fußgänger – so die Bedeutung. Das von Teresa Konle gestaltete Schild ist auch blau. Die Silhouetten zweier Figuren zieren die runde Metallfront. Nur halten sich anstelle der Mutter und ihrem Kind zwei Männer die Hand. Zwischen ihnen leuchtet ein Herz aus roter Folie. Die 18-Jährige des Sailer-Gymnasiums Dillingen ist an der Street-ArtAusstellung beteiligt. Ein Projekt, das im Rahmen der Kulturtage und des P-Seminars der Schule entstand.
Das Fußgängerschild hat sich Teresa Konle vom Bauhof geliehen. Ihre Idee, zwei Männer abzubilden, kam ihr in einer Zeit, als die Diskussion zur gleichgeschlechtlichen Ehe noch in vollem Gange war. „Ich wollte ein Zeichen setzen“, sagt sie. Die insgesamt 15 Schüler des Seminars nutzen Verkehrsschilder, um ihre kreativen Ideen auszuleben. So wird aus dem weißen Strich des roten Durchfahrtverbotsschildes eine Zigarette und in dem Parkverbotsschild schwimmt ein Fisch. Radfahrer halten Handys in der Hand und Bauarbeiter tragen plötzlichen einen Hut. „Die Schüler sollten mit wenigen Eingriffen was Neues schaffen“, erklärt Lehrer Michael Kreuzer.
Seit Montag schmücken Fotos, Straßenschilder, Leinwände und eingerahmte Drucke die Vitrinen in der Allee-Passage des ChristaHochhauses. Hinter der Glasfront sind einige Werke zu sehen, die manch einer eher dem Vandalismus zuschreiben würde. Doch für die Schüler haben sie einen anderen „Das ist Kunst“, sagt Emily Schlee. In der Street Art stecke mehr Kunst als in abstrakten Gemälden, meint die 18-Jährige. Das sei Ansichtssache, fügt Teresa Konle an. Für die Schülerin steht jedoch fest, dass gerade diese Form der Kunst etwas bewirken könne. „Street Art kann Menschen zum Lächeln bewegen, dafür sorgen, dass sie aufmerksamer durchs Leben gehen.“Die Zwölftklässler wissen, dass es Leute gibt, die die Kunst im öffentlichen Raum als Vorwand benutzen, um zu zerstören. Gerade durch das Graffiti sei dieser Ruf aufgekommen. Doch als Ende der 60er die ersten U-Bahn-Züge und Hauswände besprüht wurden, soll sich die Street-Art-Szene erst angebahnt haben.
Dass Street Art mehr ist als nur Graffiti zeigen die Arbeiten von Tim Cramer. An die Fenster einer Turnhalle drapierte er Playmobilfiguren als Fensterputzer. Mit einem Seil spannte er die kleinen Männchen in die richtige Position. „Die Größenverhältnisse sind surreal, aber es ist einfach lustig zum Anschauen“, sagt der 17-Jährige. Hinter dem zweiten Projekt des Schülers, fünf eingerahmte QR-Code-Drucke, findet sich mehr, als der erste Blick vermuten lässt. Mit einem Scanner auf dem Handy könne jeder die Informationen der Codes abrufen. Dahinter stecken bekannte Werke wie Da Vincis Mona Lisa. „Das ist das Museum 2.0“, sagt Tim. Das Beste daran: „Ich muss nicht in das Louvre nach Paris fahren, um auf das Bild zugreifen zu können.“
Arbeiten von anderen Schülern zeigen verschönerte Bauwagen und Knetfiguren. Außerdem eine kurvige Frau, gestaltet von Julia Kreis vor einem Dillinger Kleidungsgeschäft. „Das Innere zählt. Deswegen ist jeder auf seine Art perfekt“, steht am Ausstellungsort auf dem Blatt PaWert. pier, das neben dem Foto klemmt. Ein paar Zentimeter weiter klebt das Bild von einer Begegnung zwischen Männern des Spezialeinsatzkommandos und einem kleinen Jungen. „So wird dem Einsatz die Dramaturgie genommen“, erklärt Kreuzer. Nach Ansicht des Lehrers war es die Aufgabe der Schüler, mit offenem Blick durch die Straßen zu gehen. „Um so auf eigene Ideen zu kommen.“
Das ist Teresa Konle gelungen. Die 18-Jährige kommt aus Höchstädt. Dort am Bahnhof gebe es keinen Zugang für gehbehinderte Menschen, sagt sie. Darauf wollte sie mit ihrem Einfall aufmerksam machen. Sie strich zehn Holzbretter weiß an. Mit einer Schablone sprühte sie blaue Farbe an die richtigen Stellen, so dass am Ende das Symbol des Rollstuhlfahrers erscheint. „Menschen, die im Rollstuhl sitzen, kommen nicht ohne Hilfe zu den Gleisen.“Leider seien die Bretter schon wieder abmontiert worden, bedauert die Zwölftklässlerin. Aber die Idee und die Fotos bleiben. Zu sehen bis Mittwoch, 25. Oktober.