Kapitän Kaeser macht Fehler
Siemens ist mit seinen rund 350 000 Mitarbeitern ein so großer Konzern, dass immer irgendwo Unruhe herrscht. Der Chef des Unternehmens steht vor der schwierigen Aufgabe, eine Balance zwischen Mitarbeiter- und Unternehmens-, also auch Börseninteressen, zu finden. Manchmal sind diese deckungsgleich, etwa wenn der Konzern (was er häufig tut) kräftig investiert. Dann herrscht eitel Sonnenschein zwischen UnternehmensChef Joe Kaeser und den Vertretern der mächtigen IG Metall.
Sobald der Vorstandsvorsitzende jedoch Krisensparten um- und Jobs abbaut, erhebt sich verständlicherweise wie jetzt ein Proteststurm. Deshalb binden kluge Siemens-Chefs die Beschäftigtenvertreter frühzeitig in solche Überlegungen ein, um partnerschaftlich nach Lösungen zu suchen. Kaeser war früher ein kluger Chef, der wusste, dass er die IG Metall ins Boot holen muss, wenn er bei einem neuen und schmerzlichen Kurs nicht Schiffbruch erleiden will.
Die Vergangenheit zeigt: Wenn ein Siemens-Boss seine Mannschaft nicht einbezieht, kann es zu Meutereien kommen. Genau vor einer solchen Eskalation steht der Riesen-Tanker nun. Kapitän Kaeser hat einen groben stilistischen Fehler begangen. Er lässt Berichte über einen massiven Arbeitsplatzabbau und die Schließung ganzer Standorte treiben, ohne rechtzeitig darüber mit Mitarbeitervertretern gesprochen zu haben. Der SiemensChef hätte also wissen müssen, dass solch blutige Gedankenspiele in einem Laden wie Siemens rasch an die Öffentlichkeit kommen. Wenn noch dazu über das Aus von Standorten in weniger blühenden Industrie-Landschaften wie Ostdeutschland spekuliert wird, bringt er auch Politiker gegen sich auf.
Kaeser fährt das Schiff Siemens ohne Not in raue See. Dabei hätte er manchen Gewerkschafter sicher mit guten Argumenten von einem notwendigen Kurswechsel überzeugen können. Denn ohne Zweifel muss Siemens die Kraftwerks- und auch Antriebstechniksparte sanieren. Die Nachfrage etwa nach großen Gaskraftwerken, wie der Konzern sie anbietet, ist im Zeitalter des Wind- und Sonnenenergie-Booms eingebrochen. Da muss ein verantwortungsvoller Manager handeln.