„Du – und so ein Auto?“
Der Trabi wird 60. Bis heute gibt es begeisterte Trabi-Fahrer. Dazu gehören auch solche, von denen man es am wenigsten erwartet hätte, etwa ein 19-Jähriger aus Dillingen
Dillingen Spartanische Ausstattung, simple Technik und ein unverkennbares Design: Heute vor 60 Jahren lief der erste jemals produzierte Trabant vom Band. Produziert im VEB Automobilwerk Zwickau, wurde aus dem klobigen Auto schon bald ein Kultsymbol der DDR, das viel Stoff für Legenden bot.
Während es zur Zeit der DDR normal war, einen Trabi zu fahren, ist es im Jahr 2017 schon etwas Besonderes. Im alltäglichen Straßenverkehr sind die Kultautos kaum noch zu finden. Doch einer im Landkreis fährt den Trabi bis heute jeden Tag: der Dillinger Marian Kohler. Mit seinem hellblauen P601 legt er jede Strecke zurück. „Das ist mein Hauptwagen. Damit fahre ich alles“, sagt der 19-Jährige stolz. Einen anderen wolle er mittlerweile auch nicht mehr.
Ursprünglich, so sagt Kohler, wollte er einen Mercedes fahren. Doch dann kaufte sein Onkel vor ein paar Jahren ein DDR-Auto: einen Wartburg. „Damit war mein Interesse für solche Autos geweckt“, erzählt der 19-Jährige. Also kaufte er sich zum 18. Geburtstag einen Trabi. So wirklich erklären kann er seine Faszination nicht. „Das ist einfach voll mein Ding“, sagt er überzeugt. Da machen ihm die vielen Abstriche, die er mit so einem Fahrzeug machen muss, nichts aus. Denn sein P601 ist alles andere als luxuriös: Der Motor ist laut, und das Auto fährt sich schwammig. Die einzige Anzeige im Auto ist ein Tacho. Den Drehzahlmesser hat der gelernte Landmaschinenmechaniker nachträglich selbst eingebaut. Wenn er die spärlichen 24 Liter im Tank aufgebraucht hat, kann er nicht wie jeder andere tanken: Denn der Tank versteckt sich unter der Motorhaube. Auch eine Tankanzeige sucht man im Trabi vergebens. Wer wissen will, wie viel Benzin er noch hat, der muss einen Stab in den Tank halten und so ablesen. Beim Fahren selbst gibt es dann noch mehr Eigenheiten: Berganfahren ist im Trabi eine Kunst für sich, über längere Strecken die Maximalgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometer zu fahren, tut dem Auto auch nicht gut, und im Winter kann es schon mal vorkommen, dass der Vergaser einfriert und man an der Ampel plötzlich stehen bleibt. Hinzu kommt, dass alle 2000 Kilometer alles neu eingeschmiert werden muss. „Das ist einfach noch Auto fahren“, meint Kohler dazu trocken und grinst. Nur eines störe ihn: In die meisten Innenstädte wie Augsburg oder München könne er mit dem Trabant wegen der Umweltauflagen nicht mehr fahren. Und auch so falle er bei Polizeikontrollen immer wieder auf. „Oft halten mich die Polizisten aber nur auf, weil sie sich das Auto mal ansehen wollen“, erzählt Kohler lachend.
Schief angeschaut werde man mit so einem Auto ohnehin ab und zu. Die meisten fänden den Trabant aber toll. „Viele Autofahrer grüßen mich, wenn ich in meinem Trabi vorbeifahre“, erzählt Kohler begeistert. Sein Alter erstaune da schon eher, schließlich fahren nicht viele 19-Jährige so ein Auto. In der Zulassungsstelle habe man sich zum Beispiel gewundert: „Was? Du – und so ein Auto?“Bei Freunden und Verwandten kommt das Auto auch gut an. „Nur mein Vater sagt immer noch, dass ich spinne.“Dabei habe der selbst einige alte Feuerwehrautos in seiner Sammlung. Sonderlich viel wert sei der Trabi Baujahr 1976 nicht. „Es ist zwar ein Oldtimer, aber die haben damals einfach sehr viele produziert“, weiß Kohler. Insgesamt liefen über drei Millionen Trabis vom Band. Allein vom bekanntesten Modell P601 waren es 2,8 Millionen. Auch deshalb wurde der Trabi in der DDR zuerst zum Symbol der Massenmobilität. Mit den Jahren wollten die Ingenieure in Zwickau das Auto dann weiterentwickeln, doch die Parteiführung der SED war dagegen. So wurde aus dem Stolz der Ostblock-Automobilindustrie schon bald ein Symbol der sozialistischen Stagnation. Dass der Trabi bis heute trotzdem so bekannt ist, liegt wohl vor allem daran, dass das kleine Auto auch ein Symbol der Wiedervereinigung wurde. All das ist für Kohler, der sich bestens mit der Geschichte des Trabants auskennt, aber eher Nebensache: „Ich liebe es einfach, an meinem Trabi rumzuschrauben.“Jetzt im Winter muss sein hellblaues Gefährt aber in die Garage. „Ich muss mich um den Motor und den Rost kümmern“, erklärt Kohler. Außerdem sei der Anlasser schon länger kaputt, weswegen man das Auto beim Starten immer anschieben muss. Solange der Trabi stillsteht, fährt Kohler dann seinen Wartburg 1.3. Die Restauration dient vor allem einem Zweck: „Nächstes Jahr will ich zum TrabiTreffen nach Zwickau.“Dort wolle er dann die vielen anderen TrabiEnthusiasten treffen. Die Strecke fährt der überzeugte Trabi-Fahrer dann selbstverständlich komplett in seinem Lieblingsauto.
Von der Polizei wird Kohler regelmäßig angehalten – nicht nur zur Kontrolle