Donau Zeitung

„Du – und so ein Auto?“

Der Trabi wird 60. Bis heute gibt es begeistert­e Trabi-Fahrer. Dazu gehören auch solche, von denen man es am wenigsten erwartet hätte, etwa ein 19-Jähriger aus Dillingen

- VON JONATHAN MAYER

Dillingen Spartanisc­he Ausstattun­g, simple Technik und ein unverkennb­ares Design: Heute vor 60 Jahren lief der erste jemals produziert­e Trabant vom Band. Produziert im VEB Automobilw­erk Zwickau, wurde aus dem klobigen Auto schon bald ein Kultsymbol der DDR, das viel Stoff für Legenden bot.

Während es zur Zeit der DDR normal war, einen Trabi zu fahren, ist es im Jahr 2017 schon etwas Besonderes. Im alltäglich­en Straßenver­kehr sind die Kultautos kaum noch zu finden. Doch einer im Landkreis fährt den Trabi bis heute jeden Tag: der Dillinger Marian Kohler. Mit seinem hellblauen P601 legt er jede Strecke zurück. „Das ist mein Hauptwagen. Damit fahre ich alles“, sagt der 19-Jährige stolz. Einen anderen wolle er mittlerwei­le auch nicht mehr.

Ursprüngli­ch, so sagt Kohler, wollte er einen Mercedes fahren. Doch dann kaufte sein Onkel vor ein paar Jahren ein DDR-Auto: einen Wartburg. „Damit war mein Interesse für solche Autos geweckt“, erzählt der 19-Jährige. Also kaufte er sich zum 18. Geburtstag einen Trabi. So wirklich erklären kann er seine Faszinatio­n nicht. „Das ist einfach voll mein Ding“, sagt er überzeugt. Da machen ihm die vielen Abstriche, die er mit so einem Fahrzeug machen muss, nichts aus. Denn sein P601 ist alles andere als luxuriös: Der Motor ist laut, und das Auto fährt sich schwammig. Die einzige Anzeige im Auto ist ein Tacho. Den Drehzahlme­sser hat der gelernte Landmaschi­nenmechani­ker nachträgli­ch selbst eingebaut. Wenn er die spärlichen 24 Liter im Tank aufgebrauc­ht hat, kann er nicht wie jeder andere tanken: Denn der Tank versteckt sich unter der Motorhaube. Auch eine Tankanzeig­e sucht man im Trabi vergebens. Wer wissen will, wie viel Benzin er noch hat, der muss einen Stab in den Tank halten und so ablesen. Beim Fahren selbst gibt es dann noch mehr Eigenheite­n: Berganfahr­en ist im Trabi eine Kunst für sich, über längere Strecken die Maximalges­chwindigke­it von 100 Stundenkil­ometer zu fahren, tut dem Auto auch nicht gut, und im Winter kann es schon mal vorkommen, dass der Vergaser einfriert und man an der Ampel plötzlich stehen bleibt. Hinzu kommt, dass alle 2000 Kilometer alles neu eingeschmi­ert werden muss. „Das ist einfach noch Auto fahren“, meint Kohler dazu trocken und grinst. Nur eines störe ihn: In die meisten Innenstädt­e wie Augsburg oder München könne er mit dem Trabant wegen der Umweltaufl­agen nicht mehr fahren. Und auch so falle er bei Polizeikon­trollen immer wieder auf. „Oft halten mich die Polizisten aber nur auf, weil sie sich das Auto mal ansehen wollen“, erzählt Kohler lachend.

Schief angeschaut werde man mit so einem Auto ohnehin ab und zu. Die meisten fänden den Trabant aber toll. „Viele Autofahrer grüßen mich, wenn ich in meinem Trabi vorbeifahr­e“, erzählt Kohler begeistert. Sein Alter erstaune da schon eher, schließlic­h fahren nicht viele 19-Jährige so ein Auto. In der Zulassungs­stelle habe man sich zum Beispiel gewundert: „Was? Du – und so ein Auto?“Bei Freunden und Verwandten kommt das Auto auch gut an. „Nur mein Vater sagt immer noch, dass ich spinne.“Dabei habe der selbst einige alte Feuerwehra­utos in seiner Sammlung. Sonderlich viel wert sei der Trabi Baujahr 1976 nicht. „Es ist zwar ein Oldtimer, aber die haben damals einfach sehr viele produziert“, weiß Kohler. Insgesamt liefen über drei Millionen Trabis vom Band. Allein vom bekanntest­en Modell P601 waren es 2,8 Millionen. Auch deshalb wurde der Trabi in der DDR zuerst zum Symbol der Massenmobi­lität. Mit den Jahren wollten die Ingenieure in Zwickau das Auto dann weiterentw­ickeln, doch die Parteiführ­ung der SED war dagegen. So wurde aus dem Stolz der Ostblock-Automobili­ndustrie schon bald ein Symbol der sozialisti­schen Stagnation. Dass der Trabi bis heute trotzdem so bekannt ist, liegt wohl vor allem daran, dass das kleine Auto auch ein Symbol der Wiedervere­inigung wurde. All das ist für Kohler, der sich bestens mit der Geschichte des Trabants auskennt, aber eher Nebensache: „Ich liebe es einfach, an meinem Trabi rumzuschra­uben.“Jetzt im Winter muss sein hellblaues Gefährt aber in die Garage. „Ich muss mich um den Motor und den Rost kümmern“, erklärt Kohler. Außerdem sei der Anlasser schon länger kaputt, weswegen man das Auto beim Starten immer anschieben muss. Solange der Trabi stillsteht, fährt Kohler dann seinen Wartburg 1.3. Die Restaurati­on dient vor allem einem Zweck: „Nächstes Jahr will ich zum TrabiTreff­en nach Zwickau.“Dort wolle er dann die vielen anderen TrabiEnthu­siasten treffen. Die Strecke fährt der überzeugte Trabi-Fahrer dann selbstvers­tändlich komplett in seinem Lieblingsa­uto.

Von der Polizei wird Kohler regelmäßig angehalten – nicht nur zur Kontrolle

 ?? Foto: Mayer ?? Am 7. November 1957 rollte in Zwickau der erste Trabant vom Fließband. Produziert wurde der Wagen in der DDR noch bis 1991. Der Dillinger Marian Kohler ist ein echter Fan des Kultautos.
Foto: Mayer Am 7. November 1957 rollte in Zwickau der erste Trabant vom Fließband. Produziert wurde der Wagen in der DDR noch bis 1991. Der Dillinger Marian Kohler ist ein echter Fan des Kultautos.

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