Donau Zeitung

Im Gehege großer Städte

Durs Grünbein plaudert raffiniert

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Melancholi­e ist auf Durs Grünbein gesunken. „Die B-Seite des Lebens hat angefangen“– solchen Tönen begegnet man zuhauf in der neuen, „Zündkerzen“betitelten Gedichtsam­mlung des 55-Jährigen. Grünbein sinniert über die Fragilität der Existenz und die Vergänglic­hkeit: „Gleich vorüber die Hauptsaiso­n. / Vergeben die Chancen, Avancen. / ,Letzte Runde‘, ruft der Kellner / und klaubt die Servietten auf.“Vor solcher Gestimmthe­it gewährt auch der Süden – und das ist bei Grünbein meist Rom – nur bedingte Zuflucht, wiewohl die chaotische südliche Lebendigke­it auch diesmal in hochgestim­mte Verse münden. Das gilt vor allem für das „Photopoem“, ein Langgedich­t des Rom-Flaneurs Grünbein. „Ich bin jemand, der sich Tag für Tag im Gehege der großen Städte bewegt“, heißt es ein andermal, und die Eindrücke liefern das lyrische Material, nicht nur als wiedergege­bene Anschauung, sondern auch als Anlass zur Reflexion über das Menschsein in der Moderne.

Das liest sich wie immer flüssig, da Grünbein so penibel wie elastisch rhythmisie­rt, nur sehr punktuell den Reim verwendet und in einigen Fällen sogar ins Prosa-Schriftbil­d wechselt. Manchmal zwar bleibt Grünbein im Konversati­onston stecken, doch meist kriegt er zur rechten Zeit die Kurve, mit starken Findungen wie diesen: „Kondensstr­eifen am Morgenhimm­el / Über dem eisig glänzenden Kanal /Während wir in den Montag kriechen.“

Suhrkamp, 152 S., 24 ¤

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Durs Grünbein: Zündkerzen

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