Probesitzen in der Zelle
Unsere Zeitung durfte die modernisierten Gefängnisräume bei der Polizei-Inspektion in Dillingen testen. Verschiedene Gründe können dazu führen, dass man dort übernachten muss
Plötzlich fällt die Tür ins Schloss und man sitzt allein in einer sieben Quadratmeter großen Zelle mit Bett, Klo und Sitzgelegenheit. Ein seltsames Gefühl.
Dillingen Es ist ja nur ein Test, aber doch ein seltsames Gefühl: Mit einem lauten Krachen fällt die Stahlgittertür der Arrestzelle bei der Dillinger Polizeiinspektion ins Schloss. Und der stellvertretende PI-Chef Manfred Wiedemann verlässt den Raum. Da sitze ich nun auf dem Bett in einem Raum mit gut sieben Quadratmetern. Durch die Scheibe mit Panzerglas fällt ein wenig Licht. In der Zelle gibt es noch ein Klo und eine Sitzgelegenheit. Die Kanten dort sind ebenso wie am Bett abgerundet. Eine Verletzungsgefahr soll ausgeschlossen werden, hat Wiedemann vorher erklärt. Und dann sind da noch diese massiven Gitterstäbe, die auch bei einem heftigen Rütteln nicht nachgeben. Sicher wie im Fort Knox können randalierende Trunkenbolde dort untergebracht werden. Ehrlich gesagt ist es mir ganz wohl, als Manfred Wiedemann wieder zurückkehrt und mit dem Schlüssel die Arrestzelle öffnet. Dort eingesperrt zu sein, ist kein Vergnügen. „Der Service lässt zu wünschen übrig“, sagt der stellvertretende Inspektionschef mit einem verschmitzten Lächeln.
In den vergangenen drei Monaten sind die drei Arrestzellen der Dillinger Polizeiinspektion modernisiert worden. Bürger, die einrücken mussten, wurden deshalb in dieser Zeit zu umliegenden Polizeidienststellen gebracht. „Das wollten wir natürlich nicht kommunizieren, dass bei uns keine Arrestzellen zur Verfügung standen“, erläutert Wiedemann – ebenso wenig wie die Kosten des Umbaus. Die Modernisierung nach mehr als 40 Jahren sei aber dringend notwendig gewesen. „Es ging beispielsweise einmal ein Schloss kaputt, wir mussten das Gitter aufflexen, um den Insassen wieder zu entlassen“, berichtet Wiedemann. Für Putzfrauen sei die Reinigung der Arrestzellen früher mitunter eine Zumutung gewesen. Jetzt kann der Boden einfach mit einem Schlauch abgespritzt werden.
Der Erste Polizeihauptkommissar hat Sinn für Humor. „Es gibt viele Möglichkeiten, in die Arrestzelle zu kommen, aber es ist nicht erstrebenswert“, sagt Wiedemann. Meistens ist es ein übermäßiger Alkoholund Drogenkonsum, der bei einigen Menschen zu einer Übernachtung bei der Polizei führt. Wiedemann beschreibt einen Fall, in dem Beamte einen Betrunkenen in Schutzgewahrsam nehmen: Wenn ein alkoholisierter Obdachloser bei Minusgraden draußen hilflos im Schnee oder auf der Parkbank liegt, nimmt ihn die Polizei mit in die Arrestzelle, sofern er nicht andernorts untergebracht werden kann, um seine Gesundheit oder sein Leben zu schützen. Die zweite Variante, die zu einem Besuch in der Arrestzelle führt, ist der Sicherheitsgewahrsam. Ein typischer Fall: Ein sturzbetrunkener Randalierer schlägt um sich, verletzt andere, lässt sich nicht beruhigen und droht weiterhin. „Wir wollen dann verhindern, dass er weitere Straftaten begeht“, erklärt der Polizeibeamte.
Eine dritte Variante, die zu einer Unterbringung in der Dillinger Arrestzelle führt, ist der Vollzug von Haftbefehlen – bevor jemand in die Justizvollzugsanstalt, das Amtsoder das Landgericht gebracht wird.
In jedem Fall sei eine Festnahme oder Gewahrsamnahme eine schwierige Abwägungssache, informiert Wiedemann. Denn das Freiheitsrecht des Bürgers sei ein hohes Gut. Auf der anderen Seite habe die Polizei aber auch die Aufgabe, Menschen zu schützen. Sowohl denjenigen, der über die Stränge schlägt vor sich selbst, als auch die anderen, die dadurch Schaden nehmen könnten. „Jede Ingewahrsamnahme wird immer nur solange dauern, wie es unerlässlich ist“, betont Wiedemann. Sobald beispielsweise Betrunkene wieder Herr ihrer Sinne sind, werden sie auf freien Fuß gesetzt.
Wer sich eine unfreiwillige Übernachtung bei der Polizei leistet, wird dafür zur Kasse gebeten. „Das kostet mehr als in einem Billighotel“, sagt Wiedemann. Wer in Schutzgewahrsam genommen wird, muss dafür 60 Euro für die Nacht oder auch nur für ein paar Stunden Aufenthalt bezahlen. „Und wir entlassen ihn baldmöglichst, auch ohne Frühstück“, erläutert Wiedemann. Weitere Kosten können entstehen für die Reinigung nach übermäßiger Verschmutzung oder die Haftfähigkeitsprüfung durch einen Arzt.
Die Belegung der Arrestzellen bei der Polizeiinspektion sei im Übrigen ganz unterschiedlich. Oft sind sie leer, mitunter aber alle drei belegt. Dass jemand dann zu anderen Inspektionen gebracht werden muss, weil in Dillingen kein Platz mehr ist, komme extrem selten vor. Einige Einsitzende hätten hinterher ihr Handeln bedauert. „Und es kommt auch mal vor, dass sich jemand nach einer Tat bei uns entschuldigt“, sagt Wiedemann. Das zähle aber auch zu den seltenen Fällen.