Das Herz in der Seele
Heute von Dr. Elisabeth Thérèse Winter, Regens-Wagner-Stiftungen
Leserinnen und Leser,
„Belegte Seele, 2.50 Euro“lese ich an einer Bäckerei und bleibe schmunzelnd stehen. Was für ein preisgünstiges Angebot für etwas so Kostbares, schießt es mir durch den Kopf. Natürlich weiß ich, dass es sich hier um ein Gebäck handelt, laut Wikipedia stammt es aus Oberschwaben, wird aus Dinkel hergestellt und ist außen knusprig, innen weich, luftig und feucht. Aber das Wort von der „belegten Seele“lässt mich nicht mehr los. Welche Beläge überdecken die Seele und lassen sie oft nicht mehr frei atmen?
Der Belag all der Dinge und Menschen, die mich antreiben (einschließlich mir selbst), der Belag der übergroßen Erwartungen und Enttäuschungen, der Belag der Einsamkeit und der Resignation, der Belag der Grautöne, der Kurzatmigkeit, der Ängste … All diese Beläge verhindern, dass wir über das Leben in seiner Vielfalt und Überraschung noch staunen können. Und sie überdecken die einfache Freude, die wir zum Leben brauchen. Adventszeit Seelenzeit. Manchmal sind Kinder die besten Lehrmeister in Sachen „Seele“. Ich erinnere mich an eine kleine Schülerin, 11 Jahre alt. Im Unterricht erkläre ich, dass wir Menschen nur ein einziges Herz haben. Das deshalb besonders kostbar und lebensnotwendig ist, weil es Tag und Nacht schlägt und seine „Hausaufgaben“macht, ohne zu murren. Man solle gut mit seinem Herzen umgehen können, sich ruhig ab und zu bei ihm dafür bedanken. Da meldet sich Lucia aus der letzten Reihe und korrigiert mich zögernd Liebe nachdenklich: „Ich glaube nicht, dass wir nur ein Herz haben.“Auf mein erstauntes Nachfragen antwortet sie: „Ich glaube, es gibt das Herz im Körper, aber es gibt auch ein Herz in der Seele.“Das Herz in der Seele: Die kleine Philosophin formuliert, was wir im Advent vielleicht besonders spüren: der Körper braucht die Seele, das Außen braucht das Innen, sonst bleibt all das „adventliche“Treiben nur oberflächlich und leer. Es gibt eine Übernutzung der Dinge, die zu ihrer Sinnentleerung und Entseelung beiträgt. Adventszeit Seelenzeit. Die Bibel spricht immer dann von der Seele, wenn es um das Ganze einer Person geht. Und gerade im Gebet darf der Mensch sich alles von der Seele reden. „Lass meine Seele leben, damit sie dich preisen kann“, lese ich in den Psalmen. „Meine Seele zerfließt vor Kummer“, „meine Seele hängt an dir“. Und in der Lesung des dritten Adventssonntages hören wir beim Propheten Jesaja: „Meine Seele soll jubeln über meinen Gott.“(Jes 61) Wo die Seele im Spiel ist, da wird das Leben beziehungsreich.
Da entstehen Weite und Tiefe, da wachsen Dankbarkeit und Wärme. Ich wünsche uns in dieser Woche Erfahrungen solcher beseelter, erfüllter Momente.
Ihre Dr. Elisabeth Thérèse Winter, Theologische Referentin, RegensWagner-Stiftungen, Direktion.