Schulz muss den Eiertanz beenden
Zwölf Wochen nach der Bundestagswahl raffen sich die Sozialdemokraten eher halbherzig dazu auf, die Tür zu weiteren Sondierungen mit der Union über die Bildung einer stabilen Regierung offenzuhalten, ohne gleich den roten Teppich für die Bundeskanzlerin ausrollen zu müssen. Um den Schein zu wahren, wiederholt Martin Schulz wie eine tibetanische Gebetsmühle die auf dem Parteitag beschlossene Formel, dass man konstruktiv, aber ergebnisoffen verhandle, es keinen Automatismus gebe und man auch gleichrangige Alternativen zur ungeliebten GroKo im Blick habe.
Doch damit betätigt sich Schulz weiterhin als Illusionskünstler, der seiner in dieser Frage gespaltenen Partei eine Seifenblase als Stein der Weisen verkauft. Dabei sind schon die alten Alchemisten bei dem Versuch gescheitert, aus Schrott Gold zu machen. Eine Zauberformel für den Spagat, einerseits dem Auftrag des Bundespräsidenten zu folgen und alle Möglichkeiten einer Regierungsbeteiligung auszuloten, andererseits die tiefe Sehnsucht der Partei zu befriedigen, sich in der Opposition ausruhen und erneuern zu können, gibt es nicht. Die abstruse Idee, gleichzeitig zu regieren und nicht zu regieren, ist zum Scheitern verurteilt.
Ein Vierteljahr nach der Bundestagswahl wird es Zeit, dass SPDChef Schulz die Führung annimmt, die von ihm erwartet wird, und den peinlichen Eiertanz beendet. Natürlich Parteichef Schulz, dem aber nach seinem wiederholten Nein zur Großen Koalition Misstrauen entgegenschlägt. Wichtig dürfte sein, ob Groschek die NRW-SPD auf GroKo-Kurs bringt, und wie viel Überzeugungsarbeit die Fraktionschefin Andrea Nahles im linken Flügel übernimmt. Eine gewichtige Rolle kommt auch dem neuen „Parteiliebling“Malu Dreyer zu. Der von der SPD für die Sondierungen benannten zwölfköpfigen Verhandlungskommission gehören dagegen keine Mitglieder der derzeitigen Bundesregierung an – auch nicht Außenminister und Ex-Parteichef Sigmar Gabriel.