Wie an der Ladenkasse betrogen wird
Weil Geschäftsleute ihren Umsatz durch einfache Tricks künstlich verringern, fehlen dem Staat Milliarden
Augsburg Jahr für Jahr gehen dem Staat Milliarden verloren, weil Geschäftsleute ihren Umsatz künstlich klein halten. Nach Angaben des Bundesrechnungshofs sind es etwa zehn Milliarden Euro jährlich, die so verschwinden. Einer, der weiß, wie Gastronomen und Ladenbesitzer Steuern am Staat vorbeischmuggeln, ist Thomas Eigenthaler. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft sagt: „Der ehrliche Unternehmer ist der Dumme.“
Da ist zum Beispiel der Trick mit der Training-Taste. Er funktioniert so: „Die Rechnung bitte“, sagt der Gast zum Kellner. Was er nicht weiß: Gleich wird sich der Geschäftsmann in einen Praktikanten verwandeln. Der Betrüger drückt auf die sogenannte Training-Taste der Kasse, und schon wechselt das Gerät in einen Übungsmodus. Statt eines echten Belegs druckt die Kasse nur eine Kopie davon. Eine Funktion, die eigentlich nur für Übungszwecke gedacht ist. Denn der Umsatz, den der Gastronom durch den Kunden macht, taucht plötzlich nirgendwo mehr auf. Steuern werden so nicht fällig. Es ist ein kleiner, aber weit verbreiteter Trick, der den Staat jährlich eine Menge Geld kostet. Und es ist nicht der einzige.
Betrügern wird es in vielen Branchen einfach gemacht. Denn das Risiko, erwischt zu werden, ist – wenn man es richtig anstellt – praktisch null. Betriebsprüfer schauen in kleinen Gastronomiebetrieben und Ladengeschäften selten vorbei. Und damit im Fall der Fälle die Kasse trotz Schummeleien stimmt, gibt es sogar eigene Programme. „Mit einer guten Manipulationssoftware sind Sie auf der sicheren Seite“, sagt Eigenthaler. Wie legale Software auch, erstellen derartige Programme am Abend einen sogenannten Z-Bon, der die Tageseinnahmen zusammenfasst. Die illegale Software verringert jedoch künstlich den Umsatz und damit auch die anfallenden Steuern. „Solche Programme berechnen auch ein passendes Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen.“Ein Beispiel: Kauft ein betrügerischer Gastronom eine Menge Wein ein, hat er hohe Ausgaben. Werden nun lediglich die Einnahmen künstlich verkleinert, könnten Prüfer misstrauisch werden. Deshalb schafft das Programm ein passendes Verhältnis zwischen eingekauftem und verkauftem Wein. „Die Software ist sehr intelligent“, meint Eigenthaler. Aber verboten.
Um der Steuerhinterziehung entgegenzuwirken, hat die Große Koalition ein Gesetz auf den Weg gebracht. Bis 2020 müssen in allen Kassen Sicherheitseinrichtungen eingebaut sein, um die steuerlich relevanten Daten zu speichern. Doch noch ist unklar, wie genau die technische Umrüstung ablaufen soll. Kritiker werfen dem Gesetzgeber vor, erhebliche Lücken gelassen zu haben. Denn überhaupt eine elektronische Kasse im Laden stehen zu haben, ist in Deutschland – im Gegensatz zu den meisten anderen EULändern – nach wie vor nicht verpflichtend. Grüne und Teile der SPD fordern deshalb schon seit Jahren eine Registrierkassenpflicht. Doch es scheint, als hätten die Kassengegner den Kampf gewonnen.
Eine Tatsache, die den Ravensburger Gastronomen und hauptberuflichen Fachanwalt für Steuerrecht, Klaus Baldauf, wahnsinnig macht. Er sagt: „Wer als kleiner Gastronom nicht betrügt, ist bescheuert.“Zwar sei er schon wegen seines Hauptberufs immer ehrlich, dennoch kenne er die Tricks. Das neue Gesetz würde nur dazu führen, dass Gastronomen künftig komplett auf eine elektronische Ladenkasse verzichten. Denn wer als Schummler seine Umsätze erst am Abend abrechnet und auf eine solche Kasse verzichtet, hat nichts zu befürchten. Umsätze, die nicht belegt sind, können auch bei einer Prüfung nicht festgestellt werden. Gegen diese Ungerechtigkeit hat Baldauf Klage vor dem baden-württembergischen Finanzgericht eingereicht. Der Anwalt rechnet damit, dass das Verfahren im Herbst entweder eingestellt oder vor dem Verfassungsgericht weitergeführt wird.