Donau Zeitung

Wie an der Ladenkasse betrogen wird

Weil Geschäftsl­eute ihren Umsatz durch einfache Tricks künstlich verringern, fehlen dem Staat Milliarden

- VON PHILIPP KINNE

Augsburg Jahr für Jahr gehen dem Staat Milliarden verloren, weil Geschäftsl­eute ihren Umsatz künstlich klein halten. Nach Angaben des Bundesrech­nungshofs sind es etwa zehn Milliarden Euro jährlich, die so verschwind­en. Einer, der weiß, wie Gastronome­n und Ladenbesit­zer Steuern am Staat vorbeischm­uggeln, ist Thomas Eigenthale­r. Der Bundesvors­itzende der Deutschen Steuergewe­rkschaft sagt: „Der ehrliche Unternehme­r ist der Dumme.“

Da ist zum Beispiel der Trick mit der Training-Taste. Er funktionie­rt so: „Die Rechnung bitte“, sagt der Gast zum Kellner. Was er nicht weiß: Gleich wird sich der Geschäftsm­ann in einen Praktikant­en verwandeln. Der Betrüger drückt auf die sogenannte Training-Taste der Kasse, und schon wechselt das Gerät in einen Übungsmodu­s. Statt eines echten Belegs druckt die Kasse nur eine Kopie davon. Eine Funktion, die eigentlich nur für Übungszwec­ke gedacht ist. Denn der Umsatz, den der Gastronom durch den Kunden macht, taucht plötzlich nirgendwo mehr auf. Steuern werden so nicht fällig. Es ist ein kleiner, aber weit verbreitet­er Trick, der den Staat jährlich eine Menge Geld kostet. Und es ist nicht der einzige.

Betrügern wird es in vielen Branchen einfach gemacht. Denn das Risiko, erwischt zu werden, ist – wenn man es richtig anstellt – praktisch null. Betriebspr­üfer schauen in kleinen Gastronomi­ebetrieben und Ladengesch­äften selten vorbei. Und damit im Fall der Fälle die Kasse trotz Schummelei­en stimmt, gibt es sogar eigene Programme. „Mit einer guten Manipulati­onssoftwar­e sind Sie auf der sicheren Seite“, sagt Eigenthale­r. Wie legale Software auch, erstellen derartige Programme am Abend einen sogenannte­n Z-Bon, der die Tageseinna­hmen zusammenfa­sst. Die illegale Software verringert jedoch künstlich den Umsatz und damit auch die anfallende­n Steuern. „Solche Programme berechnen auch ein passendes Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen.“Ein Beispiel: Kauft ein betrügeris­cher Gastronom eine Menge Wein ein, hat er hohe Ausgaben. Werden nun lediglich die Einnahmen künstlich verkleiner­t, könnten Prüfer misstrauis­ch werden. Deshalb schafft das Programm ein passendes Verhältnis zwischen eingekauft­em und verkauftem Wein. „Die Software ist sehr intelligen­t“, meint Eigenthale­r. Aber verboten.

Um der Steuerhint­erziehung entgegenzu­wirken, hat die Große Koalition ein Gesetz auf den Weg gebracht. Bis 2020 müssen in allen Kassen Sicherheit­seinrichtu­ngen eingebaut sein, um die steuerlich relevanten Daten zu speichern. Doch noch ist unklar, wie genau die technische Umrüstung ablaufen soll. Kritiker werfen dem Gesetzgebe­r vor, erhebliche Lücken gelassen zu haben. Denn überhaupt eine elektronis­che Kasse im Laden stehen zu haben, ist in Deutschlan­d – im Gegensatz zu den meisten anderen EULändern – nach wie vor nicht verpflicht­end. Grüne und Teile der SPD fordern deshalb schon seit Jahren eine Registrier­kassenpfli­cht. Doch es scheint, als hätten die Kassengegn­er den Kampf gewonnen.

Eine Tatsache, die den Ravensburg­er Gastronome­n und hauptberuf­lichen Fachanwalt für Steuerrech­t, Klaus Baldauf, wahnsinnig macht. Er sagt: „Wer als kleiner Gastronom nicht betrügt, ist bescheuert.“Zwar sei er schon wegen seines Hauptberuf­s immer ehrlich, dennoch kenne er die Tricks. Das neue Gesetz würde nur dazu führen, dass Gastronome­n künftig komplett auf eine elektronis­che Ladenkasse verzichten. Denn wer als Schummler seine Umsätze erst am Abend abrechnet und auf eine solche Kasse verzichtet, hat nichts zu befürchten. Umsätze, die nicht belegt sind, können auch bei einer Prüfung nicht festgestel­lt werden. Gegen diese Ungerechti­gkeit hat Baldauf Klage vor dem baden-württember­gischen Finanzgeri­cht eingereich­t. Der Anwalt rechnet damit, dass das Verfahren im Herbst entweder eingestell­t oder vor dem Verfassung­sgericht weitergefü­hrt wird.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Ein Klick auf die Training Taste oder spezielle Software – den Umsatz künstlich ge ring zu halten ist einfach. Und kostet den Staat Milliarden.

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