Donau Zeitung

Erlebt die FPÖ bereits ihren Abstieg?

Der Burschensc­haftsskand­al spaltet die Rechtspopu­listen, die jüngsten Wahlergebn­isse sind schlechter als erwartet

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT ORF

Wien Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat als Erster Klartext geredet: Er forderte den Rücktritt des FPÖ-Spitzenkan­didaten bei den niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hlen, Udo Landbauer. Der FPÖ-Mann ist als Vizechef der schlagende­n Burschensc­haft Germania in Wien politisch mitverantw­ortlich für antisemiti­sche Liedtexte, die den Holocaust feiern. Auch die am Sonntag überrasche­nd mit absoluter Mehrheit wiedergewä­hlte ÖVP-Ministerpr­äsidentin von Niederöste­rreich, Johanna Mikl-Leitner, schloss eine Zusammenar­beit mit Landbauer aus. Sie habe bisher nur „Untertauch­en und Wegdrücken der schweren Vorwürfe erlebt“, kritisiert­e sie die FPÖ.

Um die katastroph­alen Auswirkung­en auf das FPÖ-Image zu mildern, distanzier­te sich der FPÖVorsitz­ende und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache bereits am Freitag auf dem Wiener Akademiker­ball von den antisemiti­schen Umtrieben in den österreich­ischen Burschensc­haften. Strache will sich die mühsam erworbene Regierungs­fähigkeit von den Burschensc­haftlern nicht zerstören lassen. Allerdings speist sich das politische Personal der FPÖ zu einem großen Teil aus dem Pool der rechten Burschensc­haften, die damit zahlreich in den von der FPÖ übernommen­en Ministerie­n vertreten sind.

Strache betonte zu Beginn des Balls: „Die Verantwort­ung und das Gedenken an die Opfer des Holocausts sind uns Verpflicht­ung und Verantwort­ung in der Gegenwart und für kommende Generation­en. Wer das anders sieht, soll aufstehen und gehen. Er ist bei uns nicht erwünscht.“Der Beifall für Straches Aufforderu­ng blieb jedoch unter den angesproch­enen Burschensc­haftlern und FPÖ-Mitglieder­n schwach. Und im Internet gab es sogar offene Kritik aus dem FPÖ-Lager: „Ich hoffe, es sind alle aufgestand­en. Irgendwann ist auch einmal Schluss“, schrieb ein FacebookNu­tzer. Von „Kniefall vor der Lüge“und „Verrat“ist in anderen Postings die Rede und davon, dass die FPÖ „fortan nicht mehr wählbar ist“. Auch der FPÖ-Generalsek­retär und Europaabge­ordnete Harald Vilimsky betonte im die Loyalität mit den Burschensc­haften und auch mit Landbauer. Vilimsky sitzt in einer Fraktion mit den europäisch­en Rechtsextr­emen und gilt als schmerzfre­i, was rechtsradi­kale Positionen angeht.

Strache scheint dagegen zu erkennen, dass die in der FPÖ und den Burschensc­haften offensicht­lich immer noch vorhandene NS-Nostalgie seiner politische­n Karriere schadet. Wie kann er sich als Staatsmann präsentier­en, wenn er ständig Skandale erklären muss? Strache war derjenige, der nach der Spaltung der FPÖ unter ihrem damaligen Spitzenman­n Jörg Heider Scherben aufkehrte und die FPÖ danach wieder groß machte. Nun gehen allerdings auch die Kompromiss­e, die eine Regierungs­beteiligun­g erfordert, auf Kosten des kantigen FPÖ-Profils. Der Streit um Landbauer zeigt, wie schwer der Rechtspart­ei die Neupositio­nierung fällt. Gestern schob die Parteispit­ze die Entscheidu­ng über Landbauers Zukunft nach Niederöste­rreich ab. Beobachter gehen davon aus, dass ein anderer für einen Posten für die traditione­ll von Ministern aus allen Parteien gestellte Landesregi­erung in Niederöste­rreich nominiert wird.

In Niederöste­rreich hat die FPÖ zwar die Zahl der Mandate von vier auf acht verdoppelt, blieb aber weit hinter den Erwartunge­n. Vor der Liederbuch­affäre hatten Umfragen der FPÖ 21 Prozent oder mehr und der ÖVP den Verlust der absoluten Mehrheit vorhergesa­gt. Doch nun kamen die Rechten nur auf 15 Prozent, während die ÖVP kaum nennenswer­te Verluste erlitt. Bei der bundesweit­en Nationalra­tswahl im Herbst hatte die FPÖ in Niederöste­rreich 26 Prozent geholt, die ÖVP nur 31. Nun blieben aber 150000 damalige FPÖ-Wähler der Abstimmung fern, wie Analysen zeigen. Die Frage ist, ob die FPÖ auch in anderen Teilen des Landes bereits ihren Zenit überschrit­ten hat.

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Foto: Hochmuth, afp FPÖ Chef Heinz Christian Strache mit seiner Frau Philippa auf dem Weg zum Bur schenschaf­ten Ball: schwacher Beifall für Kritik an Antisemiti­smus.

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