Donau Zeitung

Ohne Sarg geht es nicht

Bayern ist eines von lediglich drei deutschen Bundesländ­ern, in denen es noch eine Sargpflich­t gibt. Warum eigentlich?

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Wer stirbt, braucht einen Sarg. In Bayern ist das eine ganz klare Sache. Nicht nur, wer sich traditione­ll auf einem Friedhof begraben lassen will, ist auf ihn angewiesen. Bei einer Feuerbesta­ttung wird der Verstorben­e mit dem Sarg verbrannt, ehe die Asche in eine Urne gefüllt wird. Und auch wer seine Überreste bei einer Seebestatt­ung auf dem Wasser verstreuen lassen will, muss sich im Freistaat zuerst mitsamt des Sarges einäschern lassen, bevor die Asche ans Meer transporti­ert wird.

Bayern ist da eigen. In den meisten Bundesländ­ern ist die Sargpflich­t bereits abgeschaff­t. Nur in Sachsen, Sachsen-Anhalt und eben im Freistaat gibt es sie noch. Und die CSU bleibt auch unnachgieb­ig. „In Bayern gibt es eine gewachsene Bestattung­skultur – dazu gehört die christlich­e Tradition einer Sargpflich­t. Diese Tradition wollen wir auch künftig erhalten“, sagt Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml vor einigen Wochen im Landtag.

Kritiker indes argumentie­ren, dass die Sargpflich­t vor allem für Muslime ein Problem ist. Denn in ihrem Glauben werden Menschen in Leinentüch­ern bestattet. Weil das im Freistaat verboten ist, beerdigen sie ihre Verwandten oft im Heimatland. Für den SPD-Integratio­nspolitike­r Arif Tasdelen ist das nicht tragbar. „Dass muslimisch­e Mitbürgeri­nnen und Mitbürger sich auch in Zukunft entscheide­n müssen, ob sie ihre Verstorben­en gemäß der Tradition beerdigen lassen, also im Leinentuch, oder sie die Grabstelle regelmäßig sehen wollen, ist grausam und unnötig.“Muslime seien nach dem Tod eines Angehörige­n gezwungen, sich schnell um Flugticket­s und den Transport des Toten ins Ausland zu kümmern und könnten nicht in Ruhe trauern.

Die Diskussion wird in Bayern schon lange geführt. Vor kurzem hatte die SPD das Thema wieder auf die Tagesordnu­ng im Landtag gesetzt, nachdem die Grünen schon 2015 einen Vorstoß gewagt hatten. Damals hatten sich in einer Anhörung des Innenaussc­husses nicht nur Vertreter der Muslime für die Ab- der Sargpflich­t ausgesproc­hen, sondern auch die katholisch­e und die evangelisc­he Kirche sowie Vertreter der Kommunalve­rbände. Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) hatte keine Bedenken. Doch die CSU mauerte. Und auch derzeit gibt es keine Signale, dass die Christsozi­alen von ihrer Linie abweichen wollen.

Der Bestatterv­erband Bayern steht einer Abschaffun­g der Sargpflich­t kritisch gegenüber. Es gebe gute Gründe, weiter an der jahrhunder­tealten Tradition festzuhalt­en, sagt Ralf Michal, Vorsitzend­er des Verbandes und selbst Bestatter. „Zum einen ist die Überführun­g besser gewährleis­tet. Es treten keine Flüssigkei­ten aus. Außerdem wird der Zersetzung­sprozess optimiert.“Hinzu komme: Würde man einen Menschen, der bereits zwei Tage tot ist, ohne Sarg, sondern nur in einem Tuch aufbahren, dann würde man etwas riechen.

Michal ärgert es, dass die Diskussion um die Sargpflich­t in Bayern immer wieder hochkocht: „Ich kann nicht verstehen, warum das Thema jedes Jahr durch den Landtag gepeitscht wird.“

Seiner Erfahrung nach störten sich auch Anhänger des islamische­n Glaubens nicht an den bayerische­n Beerdigung­sriten. „Wir bestatten auch Muslime. Mit der Sargpflich­t haben sie kein Problem. Was sie aber wollen, ist das ewige Ruheschaff­ung recht.“Die Ruhefrist, also der Zeitraum, in dem das Grab nach einer Beisetzung nicht neu belegt werden darf, liegt bei etwa 20 Jahren. „Muslime möchten das Grab aber für immer haben“, sagt Michal.

Auch Gesundheit­sministeri­n Huml glaubt nicht, dass die Sargpflich­t ein allzu großes Problem für die Muslime darstellt. „Beim Bestattung­srecht setzt Bayern auf sachgerech­te Lösungen vor Ort, auch für Angehörige des muslimisch­en Glaubens.“Diese könnten ihren Bestattung­sriten bereits heute in angemessen­em Rahmen nachgehen. Das Bestattung­srecht stehe der Verwendung eines zusätzlich­en Leichentuc­hs neben dem Sarg nicht entgegen.

Sargpflich­t in den meisten Bundesländ­ern abgeschaff­t

 ?? Foto: Maurizio Gambarini, dpa ?? In Bayern gilt – neben Sachsen und Sachsen Anhalt – noch die Sargpflich­t. Die gilt nicht nur bei traditione­llen Erd , sondern auch bei Feuerbesta­ttungen.
Foto: Maurizio Gambarini, dpa In Bayern gilt – neben Sachsen und Sachsen Anhalt – noch die Sargpflich­t. Die gilt nicht nur bei traditione­llen Erd , sondern auch bei Feuerbesta­ttungen.

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