Der Herr der Tafel
Karl-Heinz Wunderlich hat die Neuburger Tafel bayernweit zu einem Vorzeigeprojekt gemacht. Inzwischen versorgen dort 75 Mitarbeiter 550 Menschen
Neuburg Ingolstadt und Audi liegen vor der Tür, die Region sonnt sich in Vollbeschäftigung. Der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zählt zu den Boom-Regionen des Freistaats. Der wirtschaftliche Aufschwung macht aber nicht vor jeder Haustür halt. Und die Wohlstandsgesellschaft kennt auch Kehrseiten: zum Beispiel da, wo sie zur Wegwerfgesellschaft mutiert. Beides hat Karl-Heinz Wunderlich bereits vor Jahren erkannt – und ist dagegen vorgegangen.
Im Jahr 2000 gründete der ehemalige Soldat die Neuburger Tafel und hat sie in 17 Jahren an der Spitze des Vereins groß gemacht. Gestartet mit zehn Mitarbeitern, die sich um 15 bedürftige Familien kümmerten, sind es heute 75 Mitarbeiter, die 550 Menschen versorgen. Inzwischen spenden Supermärkte, Bäckereien und Metzgereien regelmäßig Waren an die Tafel. „Wir sind zu einem mittleren Betrieb geworden“, sagt Wunderlich.
Begonnen hatte alles in einer „alten, kalten Wohnung“erinnert er sich. Nach zwei Umzügen sind sie in ihrem jetzigen Domizil am Neuburger Schwalbanger gelandet. Dort entwickelte sich die Einrichtung „bayernweit zu einer Vorzeigetafel, die von vielen um ihre Ausstattung und die Räumlichkeiten beneidet wird“, sagt der Gründungsvater nicht ohne Stolz. Als Auszeichnung für sein Engagement erhielt er 2016 die Verdienstmedaille des Ver- dienstordens der Bundesrepublik Deutschland, die der damalige Bundespräsident Joachim Gauck vergeben hatte.
Frei von Rückschlägen waren die Jahre bei der Neuburger Tafel nicht. Zweimal wurden wertvolle Kühlautos gestohlen und vor zwei Jahren hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Einrichtung verübt. „So etwas hat es in der Geschichte der Tafeln in Deutschland noch nie gegeben“, sagt Wunderlich. Davon hat sich der ehemalige Stabsfeldwebel der 1. Jagdstaffel des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 in Manching bei Neuburg nicht entmutigen lassen. Nach seiner Pensionierung bei der Bundeswehr kämpfte er für sein Ideal einer gerechteren Welt: „Lebensmittel retten, die noch gut sind, und Men- schen helfen, denen es nicht so gut geht.“
Vergangenes Jahr hat er den Vereinsvorsitz abgegeben. Eine Entscheidung, die dem 73-Jährigen nicht leichtfiel. „Ich wollte den richtigen Moment nicht verpassen, alles in geordneten Bahnen übergeben und meine Nachfolge regeln“, sagt er mit Bedacht. Sein Herz hängt immer noch an der Tafel. Zu gerne hat er Paprika und Rüben sortiert, Cornflakes und Kaffee portioniert, Nudeln und Reis rationiert. Oder einfach den Überblick behalten. Der Hüne mit den großen Händen und dem freundlichen Lächeln war Organisator und Ansprechpartner, Hausmeister und Handwerker. Weite Teile der Innenausstattung hat er selbst zusammengezimmert.
Gemeinsam mit ihm hat vergangenes Jahr seine Frau Heidrun die Tafel verlassen. Sie war es, die ihm vor 18 Jahren zum ersten Mal von der Idee für eine Tafelinitiative in Neuburg berichtete. „Ohne meine Frau hätte ich es nie so weit gebracht“, sagt er. Langweilig wird es den beiden auch ohne ihren Verein nicht. Sie unterstützen eine syrische Familie und deren drei Kinder, die sie noch aus ihrer Zeit bei der Tafel kennen; bei Hausaufgaben, Behördengängen oder beim Deutschlernen. „Menschen, die Hilfe brauchen, gibt es immer“, sagt Wunderlich. Und da der Staat nicht alles regeln könne, käme es eben auf jeden Einzelnen an.
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