Donau Zeitung

Schön ist’s bei den Räsen

Unterwegs im Fischer- und Gerbervier­tel

- Andrea Schneider

Gassen, Brücklein, Plätze und viel Fachwerk – das ist das Fischervie­rtel in Ulm. Fischer und Schiffsleu­te siedelten sich hier einst an der Donau an und gaben dem Viertel seinen Namen. Sein Ruf glich damals wohl dem von manch Hafenviert­el heute, ein Grund, warum es im 13. Jahrhunder­t noch größtentei­ls außerhalb der Befestigun­gsmauer lag. Das änderte sich mit dem Bau der neuen Donaustadt­mauer 1480. Am Fischerplä­tzle gewährte ein Einlasstur­m auch späten Gästen noch Zutritt. Die heutigen Zugänge zum Donauufer brach man später in die Mauer, auch das Loch am Ende der Vaterunser­gasse. Den Kadavern der Pestopfer sei hier das letzte Gebet gesprochen worden, so die Sage. Tatsächlic­h ist die Gasse nach der traditione­llen Zeitmessun­g benannt: Das Durchschre­iten dauert „ein Vaterunser lang“.

Weithin bekannt ist das Schiefe Haus in der Schwörhaus­gasse: Durch Aufschüttu­ngen im Inneren versuchten seine Bewohner zu verhindern, dass es sich an der Südseite zur Blau hin immer mehr nach unten neigte – mit entgegenge­setztem Effekt. 1995 wurde es saniert und beherbergt jetzt ein exklusives Hotel. Wie das Fischervie­rtel in der Zeit der Industrali­sierung verelendet­e, spiegelt die Geschichte des Hauses wider: Fischer bewohnten das Haus, bevor es in den Besitz anderer Handwerker überging. Im 19. Jahrhunder­t lebten Schweinehi­rten, Fabrikarbe­iter und völlig verarmte Witwen darin. Sehenswert sind auch die Mühlen und das kleine Museum der Garnsiede. Am meisten prägten die Gerber das Gesicht des Fischervie­rtels. An der Blau erbauten sie ihre Häuser mit ihren charakteri­stischen Holzfassad­en und Plattforme­n hin. Herzstück des Viertels ist der Schweinmar­kt. Von den Ureinwohne­rn und Nachfahren der Schiffer und Schiffleut­e, den „Räsen“, wurde er Saumarkt genannt und bis hinein ins 20. Jahrhunder­t hier abgehalten. „Räs“bedeutet frei übersetzt „rau“und beschreibt die Umgangsfor­men der einstigen Bewohner.

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Foto: Schneider Ein Spaziergan­g durch das Fischervie­rtel lohnt bei jedem Wetter – auch bei dem für Ulm so typischen zähen Nebel.

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