Schön ist’s bei den Räsen
Unterwegs im Fischer- und Gerberviertel
Gassen, Brücklein, Plätze und viel Fachwerk – das ist das Fischerviertel in Ulm. Fischer und Schiffsleute siedelten sich hier einst an der Donau an und gaben dem Viertel seinen Namen. Sein Ruf glich damals wohl dem von manch Hafenviertel heute, ein Grund, warum es im 13. Jahrhundert noch größtenteils außerhalb der Befestigungsmauer lag. Das änderte sich mit dem Bau der neuen Donaustadtmauer 1480. Am Fischerplätzle gewährte ein Einlassturm auch späten Gästen noch Zutritt. Die heutigen Zugänge zum Donauufer brach man später in die Mauer, auch das Loch am Ende der Vaterunsergasse. Den Kadavern der Pestopfer sei hier das letzte Gebet gesprochen worden, so die Sage. Tatsächlich ist die Gasse nach der traditionellen Zeitmessung benannt: Das Durchschreiten dauert „ein Vaterunser lang“.
Weithin bekannt ist das Schiefe Haus in der Schwörhausgasse: Durch Aufschüttungen im Inneren versuchten seine Bewohner zu verhindern, dass es sich an der Südseite zur Blau hin immer mehr nach unten neigte – mit entgegengesetztem Effekt. 1995 wurde es saniert und beherbergt jetzt ein exklusives Hotel. Wie das Fischerviertel in der Zeit der Industralisierung verelendete, spiegelt die Geschichte des Hauses wider: Fischer bewohnten das Haus, bevor es in den Besitz anderer Handwerker überging. Im 19. Jahrhundert lebten Schweinehirten, Fabrikarbeiter und völlig verarmte Witwen darin. Sehenswert sind auch die Mühlen und das kleine Museum der Garnsiede. Am meisten prägten die Gerber das Gesicht des Fischerviertels. An der Blau erbauten sie ihre Häuser mit ihren charakteristischen Holzfassaden und Plattformen hin. Herzstück des Viertels ist der Schweinmarkt. Von den Ureinwohnern und Nachfahren der Schiffer und Schiffleute, den „Räsen“, wurde er Saumarkt genannt und bis hinein ins 20. Jahrhundert hier abgehalten. „Räs“bedeutet frei übersetzt „rau“und beschreibt die Umgangsformen der einstigen Bewohner.