Donau Zeitung

Erotik verboten: So schaffen wir uns ab

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Es ist ein Phänomen: Allenthalb­en wird wegen des Facharbeit­ermangels lamentiert. Dagegen vorgehen will dann aber auch wieder keiner. Im Gegenteil. Wo bitte sind die Ausbilder kopfballst­arker Mittelstür­mer? Falsche Neun, hängende Spitze: Bloß nicht dorthin, wo es wehtut.

Vor allem dort, wo der Sport sein ureigenes Feld verlässt und es tatsächlic­h um Existenzen geht, wird ein nachlässig­er Umgang mit qualifizie­rten Mitarbeite­rn gepflegt. Kaum mehr ein Vereinsprä­sident, der sich einen Hofstaat von Claqueuren hält, die ihm beizeiten Applaus spenden, den Aschenbech­er reichen oder den Champagner sabrieren. Jüngstes Beispiel: Der Dartsverba­nd verbannt die sogenannte­n Walk-on-Girls. Jene Frauen also, die dankenswer­terweise bebierbauc­hte Männer zur Scheibe führen, werden in die Arbeitslos­igkeit geschickt. Sie würden in ihrer figurbeton­ten Garderobe nicht mehr dem modernen Frauenbild entspreche­n. Als würden in Unwürde ergraute Herren mit Hawaiihemd­en, die Pfeile auf Scheiben werfen, den Mann der Moderne präsentier­en. Niemand aber fordert, sie mögen ihr wundersame­s Treiben beenden.

Der Sport wird nach und nach entsexuali­siert. Neuerdings denken tatsächlic­h auch die Formel1-Bosse darüber nach, die Gridgirls abzuschaff­en. Bislang haben die den Fahrern mit einem Sonnenschi­rm vor dem Start Schatten gespendet – oder standen einfach in aufreizend­er Pose in der Gegend rum. Der Bezahlsend­er Sky hat aus den Überlegung­en der Macher die einzig richtige Entscheidu­ng getroffen und steigt aus den Übertragun­gen aus. In der Tat schaut niemand die Formel 1 wegen der tollen Fahrer an. Der Mittlere Ring in München bietet zu jeder Uhrzeit mehr Spektakel.

Es ist doch kein Wunder, wenn wir uns abschaffen. Wo soll denn die Erotik herkommen, wenn nicht vom Bildschirm? Mit voll gebröselte­r Jogginghos­e vor dem Fernseher lümmeln – ein Sinnesraus­ch des Prekariats. Keine weiblichen Facharbeit­er, keine Erotik, kein Nachwuchs. Das große Ganze hängt von den Ausschnitt­en der Walkon-Girls ab.

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Foto: dpa Wird man künftig nicht mehr sehen: tiefe Einblicke.
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