Der Kampf der Radelpioniere
Wer war der Erste? Karl von Drais oder der Comte de Sivrac? Die Entwicklungsgeschichte des Fahrrads, das heute als abgasfreies Fortbewegungsmittel heiß geliebt, gelegentlich auch verflucht wird, beginnt mit einem deutsch-französischen Konflikt. Ob Karl Freiherr Drais von Sauerbronn, der 1818 seine Draisine patentieren ließ, wirklich der Erste war, ist nicht geklärt. Umso gewisser ist, dass sein Laufrad tatsächlich existierte. Beim Cé- lérifère des französischen Grafen ist das nicht ganz so klar.
Dessen Laufrad soll die Pariser zwar schon vor der Jahrhundertwende begeistert haben. Ein paar mutige Adelige sollen sogar Rennen mit dem Gerät veranstaltet haben, Jahre bevor Karl Drais mit seiner Maschine die Deutschen beeindruckte. Aber es gibt nur Berichte aus zweiter Hand über die Erfindung des Grafen de Sivrac. Und wie verlässlich sind sie? Patriotische Zeitgenossen deutscher Nationalität erklärten das Célérifère zur bloßen französischen Legende, die dazu gedient haben soll, den rechtsrheinischen Erfindergeist zu unterlaufen.
Wie auch immer: Das Célérifère konnte mit der Draisine des deutschen Freiherrn in einer Hinsicht nicht konkurrieren: Das Ding hatte keine Lenkstange, rollte also stur geradeaus, es sei denn, der Benutzer legte sich selber stark in die Kurve. Karl Drais hingegen trumpfte mit einer Lenkstange auf. Allerdings arbeitete er sich erst im zweiten Schritt an sein Zweirad heran. Seine erste Draisine hatte vier Räder und wurde mit einer Handkurbel bewegt. Das Zweirad folgte, und nun dienten die Hände dazu, gekonnte Kurven hinzulegen. Als Antrieb dienten die Füße, und zwar mit Bodenberührung. So erreichte der Radler stoßweise, aber bequem sitzend höhere Geschwindigkeiten als ein gewöhnlicher Fußgänger.
Alles noch ohne Pedale. Die folgten ein paar Jahrzehnte später in einem weiteren revolutionären Schritt. Und da kommt wieder Frankreich ins Spiel. Der Wagenbauer Ernest Michaux hat als Erster ein Fahrrad mit Pedalen patentieren lassen, die direkt am Vorderrad befestigt waren. Wie es heißt, fand sein Sohn die deutsche TretDraisine zu anstrengend und wünschte sich etwas Kräfteschonenderes. Und dann ging es stürmisch weiter. Hochrad, Damenrad, Rennrad, Mountainbike, E-Bike und vor allem: die grüne Ikone, das politisch korrekte Stadt-Fahrrad.