Fundis in Höchstädt
Fundamental-Opposition. Bedeutet, ein politisches System grundlegend nicht anzuerkennen. Auf Deutschland gemünzt lebt der Fundamental-Oppositionelle in Gegnerschaft zur parlamentarischen Demokratie. Heißt, er verweigert sich ihr. Meist ist der „Fundi“radikal unterwegs. Die wahlberechtigten Bürger von Höchstädt haben ihre Art des Widerstands zum System kultiviert. Ganze 56,4 Prozent Wahlbeteiligung verzeichnete die Bürgermeisterwahl dort am Sonntag. Es ist ja fast schon Mainstream in der Bundesrepublik, nicht wählen zu gehen. Oft berufen sich Experten dabei auf die Sozialisierung des Nichtwählers. Ungebildet und oftmals arbeitslos soll er sein. Da ist der Höchstädter, durch und durch bürgerlich und nur in seltensten Fällen arbeitslos, das Gegenargument.
In der bürgerlich-radikalsten Form des Protests verschloss sich der Nichtwähler am Sonntag dem Urnengang. Wohl saß er zu Tisch, danach gab es den sonntäglichen Spaziergang mit anschließendem Kaffee und gemütlichem Beisammensein auf dem heimischen Sofa. So ein Sonntag ist einfach zu schön, um ihn mit lästigem politischen KleinKlein zu verbringen. Die Nichtwahl als freie Willensentscheidung. „Gnuag gschwätzt isch!“haben sich die Fundis aus Höchstädt vielleicht zugerufen. Politikverdrossen und erschöpft sind sie schließlich noch vom jüngsten Wahlkampf – der ist gerade einmal vier Jahre her. Wozu denn überhaupt wählen? Schließlich klappt’s im Bund doch auch seit sechs Monaten ohne Regierung. Irritiert fragt sich der Nichtwähler daher, wozu es in Höchstädt einen Bürgermeister braucht. „Allrwäldslugabeidl“die Politiker, allesamt. Nichtwählen schützt den Höchstädter vor dem gebrochenen Herz des Wählers, der auf der Verliererseite steht. Das geht so lange gut, bis die Fundamental-Opposition sich eines Tages Regierung schimpft. Alsdann spürt auch der Höchstädter Bürger, Demokratie lebt durch Diskussion und Teilnahme. Und sie ist keine Selbstverständlichkeit.