Wie sich unser Zuhause verändert
Eine zum Wohnraum hin offene Küche ist bei Neubauten bereits ein Standard. Die Sanitärbranche macht aus dem Bad ein Wellnesscenter. Und auch Schlaf- und Kinderzimmer verändern sich. Wie sieht der Grundriss der Zukunft aus?
Das Innenleben der Wohnhäuser verändert sich zunehmend: Nahezu in jedem Neubau sind die Grundrisse inzwischen offen. Die Küche geht fließend ins Esszimmer über, und dieses geht fließend ins Wohnzimmer über. Es gibt keine trennenden Wände mehr. Die Sanitärbranche versucht auch seit Jahren, das zum Schlafzimmer offene Badezimmer anzubringen. Bauherren passen Grundrisse immer öfter an die neuesten Lebensgewohnheiten und Wohntrends an.
Dass Küche und Wohnzimmer eine Einheit sind, ist bei vielen Neubauten inzwischen die Regel. Auch Möbel- und Gerätehersteller haben das erkannt: Spülmaschinen, Waschmaschinen und Mixer werden zunehmend leiser. Die Küchenmöbel müssen im offenen Wohnraum anders werden und mit den Möbeln im Wohnraum korrespondieren – am besten sogar aufeinander abgestimmt sein. Statt drei Räumen für Essen, Kochen und Wohnen richtet man nun einen einzigen Bereich ein.
Die Wohnküche bildet das Herz des Zuhauses, das bleibt vermutlich auch in Zukunft so. Die Funktion des ursprünglichen Wohnzimmers verändert sich dabei zunehmend, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie. Die Zeiten, als sich alle um einen Fernseher tummeln, gehen zu Ende. Stattdessen gibt es Flachbildschirme in mehreren Zimmern, immer mehr auch flexibel einsetzbare Beamer, oder jedes Familienmitglied nutzt einen eigenen Computer oder ein Tablet für den Medienkonsum. „Ich glaube daher, das Wohnzimmer als Zentrum für Entertainment löst sich auf“, sagt Geismann. Es kann also gut sein, dass sich in mancher Familie die Verkleinerung des ursprünglichen Wohnzimmers zugunsten des Koch- und Essbereichs anbietet.
Gerade der Esstisch im großen Wohnraum gilt als Mittelpunkt des Familienlebens. Hier wird gegessen. Hier gibt es Krisengespräche, und die Urlaubsplanung wird gemacht. Hier schlagen auch viele ihr Homeoffice auf, wenn sie nach Feierabend doch noch ein paar Aufgaben erledigen müssen. Aber hier breiten sich vor allem die Kinder aus. Hier wird gelernt, gebastelt und gespielt.
„Man versucht derzeit dem Möbel so viel Raum wie möglich einzuräumen, sogar in kleineren Häusern“, berichtet die Landsberger Trendanalystin Gabriela Kaiser. Inzwischen geht der Trend zu mehr gemeinsamem Wohnraum auch zulasten von Kinderzimmern. Der Fertigbau-Unternehmer Johannes Schwörer rät seinen Kunden in diesem Fall aus der eigenen Erfahrung Familienlebens mit Kindern aber dabei auch an die Zukunft zu denken: „Ich empfehle, das Haus so zu planen, dass die Zimmeraufteilung der Kinder, wenn sie 13 bis 17 werden, umgestaltet werden kann. Dann brauchen sie mehr Rückzugsmöglichkeiten.“
Auch ein anderer Teil der Wohnung steht für einen grundlegenden Wandel der Lebensstile: Schaut man sich moderne Badezimmer-Werbung an, sieht man ein Spa. Die freistehende Badewanne, eine Dusche, die Wasserfälle im Regenwald simuliert, daneben die ausfahrbare Minisauna. Gestaltet wird auch zunehmend über Möbel und Accessoires – die zudem nicht mehr wirken, als seien sie klassische Gegenstände für eine Nasszelle. Das Badezimmer werde wohnlich, sagen Experten.
Die Veränderung geht einher mit einem anderen Blickwinkel auf die Badnutzung. Laut einer Forsa-Studie von 2017 im Auftrag des Sanitärwirtschaftsverbands halten sich die Deutschen im Mittel täglich 40 Minuten im Bad auf. Man geht längst nicht nur auf die Toilette und duscht, man stylt sich ausgiebig und entspannt sich zunehmend auch nach Feierabend darin.
„Früher hatte das Badezimmer meist keine Fenster, manchmal war es sogar im Keller“, beschreiben die Experten des Frankfurter Zukunftsinstituts in der Studie „Zukunft des Wohnens“den Wandel. „Aber in Zukunft wird es nicht nur eines der repräsentativsten Zimmer im Haus sein, sondern es wird sogar eine der besten Aussichten vom Haus aus haben“, sagen die Trendforscher voraus. Denn was ist erholsamer, als in der Badewanne zu liegen, mit Blick über den schön bepflanzten Garten?
Die Trendforscher raten, dem Badezimmer in Zukunft auch mehr Platz im Haus einzuräumen. In den meisten Häusern sei es aktuell der kleinste Raum. Laut Forsa-Umfraseines ge sind es durchschnittlich 9,1 Quadratmeter. Das Schlafzimmer hingegen habe mehr Platz, und das, obwohl man nur das Bett wirklich nutze, meinen die Zukunftsforscher. „Eine Schlafecke würde es auch tun“, heißt es in der Studie. „Was wir brauchen, ist ein großes Badezimmer und ein großer Unterhaltungsbereich, das ist alles.“
Auf einer Trend-Ausstellung der alle zwei Jahre stattfindenden Sanitärmesse ISH in Frankfurt am Main wurde 2017 ein Badezimmer mit Fitnessstudio gezeigt. Neben Badewanne und Waschbecken enthielt dieses auch ein Kneippbecken, ein Laufband, eine Sprossenwand, Hanteln, Ringe und einen Turnkasten. „Das Bad avanciert zum häuslichen Gesundheitszentrum“, erläuterte der Branchenverband der Sanitärwirtschaft zur Trendschau. „Wenn es die Raumgröße zulässt, beheimatet es sogar verschiedene Sportgeräte oder zumindest YogaMatte und Balance-Brett.“
Dass dies alles auf Kosten des Schlafzimmers gehen soll, dürften nicht alle in der Möbelbranche mit Freude vernehmen: Die Hersteller wollen das Schlafzimmer ebenfalls „wohnlich“machen. Hohe Boxspringbetten mit dicken Rückenteilen laden nicht nur zum Schlafen, sondern zum aufrecht Sitzen ein. Auch Unterhaltungselektronik und Fernseher finden immer mehr Platz in Schlafzimmern. Vom dicken Kleiderschrank geht der Trend allerdings weg: Wer kann, leistet sich inzwischen lieber einen begehbaren Kleiderschrank: Laut der Fertigbaubranche soll jeder achte Neubau schon heute ein eigenes modernes Ankleidezimmer haben.
Möbel und Gerätehersteller treiben den Wandel voran