Mit dem Dieselross an die Weltspitze
Wie eine Idee aus den 30er Jahren zur Grundlage für den Erfolg des Marktoberdorfer Traktorenbauers Fendt wurde
Marktoberdorf Wer an einem sonnigen Wochenende am Auerberg bei Stötten im Ostallgäu unterwegs ist, der begegnet möglicherweise einem Mythos. Nun ist damit nicht FendtChef Peter-Josef Paffen gemeint, wohl aber das Gefährt, an dessen Steuer Paffen an solch einem Tag den Berg hinauf- und hinuntertuckert: ein Fendt-Dieselross, Baujahr 1954, mit satten 20 PS. Es fährt sich laut Paffen famos: „Wie ein Cabrio.“
Von 1930 an baute die Marktoberdorfer Traktorenschmiede Fendt bis ins Jahr 1962 die legendären Dieselrösser. Sie stehen für den Wandel in der Landwirtschaft: weg vom Ochsengespann, hin zur Technisierung der Höfe. Die ersten Kleinschlepper legten den Grundstein für den Erfolg des Unternehmens von der Familienwerkstatt zum Weltkonzern. „Ohne das Dieselross wäre eine derartige Entwicklung des Unternehmens wohl kaum möglich gewesen“, sagt Fendt-Chef Paffen. Und er ist überzeugt davon, dass selbst in den aktuellen High-Tech-Produkten noch etwas drinsteckt vom DieselrossGeist der Pionierjahre. „Wir beobachten sehr genau und fragen uns: Was braucht der Landwirt, um besser arbeiten zu können? Das ist Teil unserer Kultur“, sagt Paffen.
Wie könnte man die Arbeit der Bauern einfacher, leichter machen? Diese Frage stand schon im Mittelpunkt, als Johann Georg Fendt und sein Sohn Hermann 1928 im kleinen Oberdorf einen Grasmäher mit Benzinmotor konstruierten – den Vorläufer des Dieselrosses. Die Tüftler gaben sich damit jedoch nicht zufrieden. Im Jahr darauf konstruierten sie ihren ersten Schlepper mit Dieselmotor. 1930 wurden die ersten Modelle ausgeliefert. Den zweiten Fendt erwarb der Marktoberdorfer Braumeister und Landwirt Franz Sailer. Sein Gefährt taufte er Dieselross. Ein Mythos war geboren. Und gewissermaßen das Startsignal gegeben für eine Entwicklung, die Fendt spätestens 1995 mit der Marktreife des ersten stufenlosen Getriebes (Vario) zum technologischen Marktführer werden ließ.
Seit 1997 gehört Fendt zum USLandtechnikkonzern AGCO. Und wann immer dessen Chef, Martin Richenhagen, über die High-TechSchmiede im Ostallgäu spricht, nimmt er Bezug auf die Anfänge und das Dieselross: „Fendt ist unser bestes Pferd im Stall.“
Im laut Konzern „modernsten Traktorenwerk der Welt“rollten in Marktoberdorf 2017 rund 15000 Schlepper vom Band. Fendt beschäftigt in seinen Werken insgesamt rund 4400 Mitarbeiter. Und weil Ideentüftelei bei Fendt Tradition hat, steckt Fendt jährlich über 65 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung.
Zwar soll zur Produktpalette des Unternehmens bald auch ein Elektro-Traktor gehören. Aber das Dieselross lebt weiter: Es prangt als Logo auf der Motorhaube der Fendt-Traktoren.