Kein neuer Abt, sondern ein Konventualprior
Die Benediktiner-Abtei in Neresheim hat gewählt. Albert Knebel ist weitere sechs Jahre in der Pflicht
Dillingen/Kloster Neresheim Volle zehn Minuten verkündeten die sieben Glocken vom Turm der Neresheimer Benediktiner-Abtei an jenem Freitag kurz vor 11 Uhr: „Wir haben einen neuen Oberen.“Die wahlberechtigten sieben Mönche gaben dem bisherigen Prior-Administrator Albert Knebel (60) erneut das Vertrauen. Der Titel hat sich nach einer Wahlrechtsreform allerdings geändert: Pater Albert, der auch den Knabenchor der Abtei leitet, wird künftig Konventualprior genannt. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre – im Gegensatz zum Abt, der für zwölf Jahre gewählt wird.
Warum wurde in Neresheim (Ostalbkreis) kein Abt gewählt? Begründet wird dies damit, dass Albert Knebel zwar schöne, feierliche Gottesdienste mag, aber großen Prunk verabscheut. Diese Auffassung teilen auch seine Mitbrüder (derzeit umfasst die Abtei acht Mönche und einen Novizen zwischen 25 und 88 Jahren). Daher war sich der Konvent einig, dass kein Abt an der Spitze stehen müsse. Dieser nämlich trüge bei besonderen Anlässen eine Mitra, also ein prächtiges Messgewand mit Bischofsmütze und einen Abtsstab. Schon allein aus praktischen Gründen hätte Knebel damit Probleme: Er ist als letzter Kantor der Abtei zwischen Chor, Altar, Ambo und Abtsstuhl unterwegs.
Der Wahltag selbst begann in der Turmkapelle mit einer Votivmesse zur Anrufung des Heiligen Geistes. Zelebriert wurde die Messe von Abtpräses Albert Schmidt, der von Beuron aus (dort sind es 40 Benediktiner-Mönche) 17 Klöster zu betreuen hat. Der Würdenträger erinnerte an den heiligen Benedikt, der in den Ordensregeln die Suche nach Gott festgeschrieben habe. Kurz nach 11 Uhr wurde dann in der eiskalten Abteikirche nach dem Einzug des Konvents die Wahl Albert Knebels zum Konventualprior bekannt gegeben und der Gewählte feierlich für die neuen Aufgaben eingesegnet. Unter den Besuchern der Kirche war auch Neresheims neuer Bürgermeister Thomas Häfele, der die Wahl eines neuen Klostervorstehers „als wirklich großes Ereignis für Neresheim“bezeichnete. Zur Wahlrechtsreform erläuterte Schmidt, dass das Generalkapitel der Benediktiner die Statuten für die Wahl eines Klosteroberen im Herbst neu gefasst hat. Im Februar kam das „Go“aus Rom. Danach liegt es weiter im Ermessen eines Konvents, festzulegen, ob ein Abt (zwölf Jahre), ein Abt-Administrator (drei Jahre) oder ein Konventualprior (sechs Jahre) einem Kloster vorsteht. Knebel ist demnach einer der Ersten, der diesen neuen Titel trägt.
Am Freitag wirkte der Gewählte entspannt und froh darüber, dass man keine riesige Feier, die es bei der Abt-Benediktion zwangsläufig gegeben hätte, habe ausrichten müssen. „Wir sind doch ein kleiner Konvent“, sagte Knebel. Die Verlängerung der Amtszeit von drei auf sechs Jahre findet er gut. Das Kloster Neresheim sei mit einer Altersspanne von 25 bis 88 Jahren ein richtiges Mehrgenerationenhaus. Erst vor drei Wochen konnte ein Novize eingekleidet werden. Ungewöhnlich sei der Verzicht auf einen Abt nicht: Weltweit gibt es 6500 BenediktinerMönche und 14 000 BenediktinerNonnen. Auch da würden vielfach Priore oder Priorinnen anstelle eines Abtes oder einer Äbtissin an die Spitze eines Klosters gewählt.