Festnahme reißt Deutschland in Katalonien Krise
Spanischer Geheimdienst lässt Ex-Präsident Puigdemont an deutscher Grenze unter Arrest setzen. FDP fordert Aufklärung
Berlin/Madrid Es war wohl eine Falle des spanischen Geheimdienstes, der sich der Hilfe der deutschen Polizei bediente: Völlig überraschend ist gestern die Galionsfigur der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, Carles Puigdemont, nahe der deutsch-dänischen Grenze festgenommen worden. Beamte des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamts spürten den abgesetzten Regionalpräsidenten um 11.19 Uhr beim Tanken auf der Raststätte Schuby an der A7 südlich von Flensburg auf. Der Politiker war von einem Auftritt in Finnland auf der Rückreise in sein belgisches Exil.
Laut verschiedenen Medien soll der spanische Geheimdienst Puigdemont während dessen Auslandsreise beschattet haben. Kurz vor der Einreise hätten spanische Behörden die Fachabteilung „Sirene“beim Bundeskriminalamt informiert, die dann das Landeskriminalamt in Schleswig-Holstein eingeschaltet habe. Der Zugriff sei bewusst in Deutschland und nicht in Dänemark erfolgt, weil die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden sehr gut funktioniere. Spanien hatte den im Dezember ausgesetzten europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont erst am Freitag wieder in Kraft gesetzt.
Mit der Festnahme des Separatistenführers wird Deutschland direkt in den Konflikt hineingezogen: Die spanische Justiz wirft Puigdemont Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Mittel vor. Die Regierung in Madrid hatte das Unabhängigkeitsreferendum und einen Beschluss des Regionalparlaments zur Abspaltung Kataloniens vergangenen Herbst für illegal erklärt. Der abgesetzte Präsident floh nach Belgien. Aus Protest gegen die Festnahme gingen am Sonntagabend rund 55000 Menschen in Barcelona auf die Straße. Bei Zusammenstößen mit der Polizei, die auch Schlagstöcke einsetzte, wurden mindestens 50 Leute verletzt. Auch in Deutschland stößt die Verhaftung auf Kritik. Die Festnahme sei eine „Schande“, erklärte der Europa-Sprecher der Linken im Bundestag, Andrej Hunko, und forderte die sofortige Freilassung. „Rebellion“falle nicht unter die 32 Straftatbestände, die Grundlage des europäischen Haftbefehls seien.
Die FDP forderte eine schnelle Erklärung der Bundesregierung. „Rechtlich ist die Verhaftung von Herrn Puigdemont nicht zu beanstanden, politisch aber schafft sie große Probleme“, sagte FDP-VizeFraktionschef Alexander Graf Lambsdorff unserer Zeitung. „Deutschland wird damit Partei im innerspanischen Verfassungskonflikt, eine Situation, die unser Nachbarland Belgien tunlichst vermieden hat“, kritisierte Graf Lambsdorff.
Der FDP-Außenpolitikexperte forderte im Interview unserer Zeitung vor dem heutigen EU-TürkeiGipfel auch einen Kurswechsel in der deutschen Türkeipolitik, wie Sie in der Politik lesen. Mit der Türkei beschäftigt sich auch Gregor Peter Schmitz im Leitartikel. Die Festnahme Puigdemonts analysiert Ralph Schulze im Kommentar.