Mach es wie die Männer
Maria Groß ist Deutschlands jüngste TV-Köchin und ein Showtalent. Doch der Weg zum ersten Gourmet-Stern war voller Feindschaften und Einsamkeit. Darauf hat sie keine Lust mehr
Berlin Ihr Lachen öffnet ihr Türen. Es ist so ein Lachen, das aus dem Bauch heraus kommt. Lauter kleine Hahahahahas, die durch den Raum hüpfen. Ein bisschen blechern klinge das, hat ein Kritiker neulich gesagt. Maria Groß, 38, zuckt die Schultern. Ihr doch wurscht, was andere über sie reden. Groß macht ihr Ding. Sie kocht, wenn nicht in ihrem Restaurant in Thüringen, dann im Fernsehen. Viele kennen sie aus Sendungen wie „Kitchen Impossible“oder „Grill den Profi“. Groß ist die Frau, die gerne austeilt, aber immer augenzwinkernd.
Groß war erst 34, als sie sich ihren ersten Stern des Guide Michelin erkochte. Sie hat die andere Seite kennengelernt. Den Druck. Die Einsamkeit. Die Lautstärke. Die Dämpfe. Die Enge. „Das ist ein Stresslevel, das du erst mal ausblenden musst, damit dir das Essen trotzdem auf den Punkt gelingt.“
Mit der Sterneküche ist es wie mit der Fernsehküche. Sie ist fest in der Hand von Männern. Von den 300 deutschen Restaurants, denen der jüngste Guide Michelin Sterne ver- liehen hat, gingen nur acht an Frauen. Im Fernsehen ist die Quote der Frauen nicht viel höher. Man kennt Cornelia Poletto und Sarah Wiener, aber sonst? Warum ist der Weg an die Spitze immer noch so steinig?
Bischleben, ein Vorort von Erfurt. Ein windschiefes Gartenlokal, das sich an einen Hügel schmiegt, das ist Maria Groß’ Restaurant, die Bachstelze. Ein Geheimtipp für Leute, die die gute, alte Küche schätzen, „aber eben nicht Kohlrouladen mit Knödeln“, darauf legt sie Wert. Sondern mal „einen geilen Rehrücken, aber modern interpretiert“– mit einer Himbeervinaigrette, die nach Sommer schmeckt. Das ist ihr Erfolgsrezept. Das ist ihr Zuhause. Hier wohnt sie mit ihrem Verlobten Matthias Steube, 36, und „Baby“Friedrich, einem Welpen.
Groß empfängt die Reporterin in Jeans und Hoodie. Ein bisschen verschlafen sieht sie aus, aber ein Stichwort reicht, und die Worte sprudeln aus ihr heraus. Sie erzählt, wie aus einer Hardcore-Feministin eine Frau wurde, über die Tim Mälzer augenzwinkernd sagt, sie sei härter als jeder Mann. Groß war 25, als sie ihr Studium der Gender Studies schmiss und eine Lehre im Restaurant Guy in Berlin machte. Sie war ein Kind der DDR. „Wir haben gelernt, aus wenig etwas zu machen.“Schon ihre Oma hatte sie zum Wildkräutersammeln mitgenommen. Nach Lehrjahren in der Schweiz kam sie zurück nach Erfurt, als Chefin des Kultur- und Kongresszentrums Kaisersaal. Tausend Sitzplätze. Frühstück, Mittag, Abendbrot – ihr Kerngeschäft. Ihr Job bestand jetzt zu achtzig Prozent aus Organisation. Kreativ sein konnte sie nur in der Clara, dem kleinen Restaurant, das dazugehörte.
Ein Knochenjob, sagt sie. Aus der Köchin wurde eine Managerin. Eine, die ihr Reich noch härter regierte als so mancher Küchenbulle. Als Erstes warf sie „die Muttis“raus. „Die haben gequasselt und nebenbei Karottensalat geraffelt. Was ist das für eine Arbeitsmoral?“So redet keine Frauenrechtlerin. So redet der CEO eines Dax-Unternehmens. Man darf das sagen. Sie reagiert nicht beleidigt. Sie sagt, so sei das eben damals gewesen. „Man muss den Habitus der Männer übernehmen, egal, ob man den per se akzeptiert.“Aber Macht macht eben auch einsam. „Achtzig Prozent der Angestellten haben mich gehasst.“Und irgendwann habe sie sich beim Blick in den Spiegel selber nicht mehr erkannt. 2015 kündigte sie. Den Stern, den sie für die Clara erkocht hatte, ließ sie da. Andere Sterneköche zerbrechen an dem Druck, den Stern verteidigen zu müssen. Groß sagt, für sie sei der Stern der einzige Grund gewesen, warum sie sich den Stress überhaupt angetan habe.
Die Espressomaschine röchelt. Groß verteilt Kaffeetassen. Die Stühle stehen noch auf dem Tisch. Die Bachstelze war einen Monat geschlossen. Betriebsferien. Es gibt keine Speisekarte, sie schreibt das Menü täglich neu an eine Tafel. Wie sollte es auch anders gehen, jetzt, wo sie wieder allein in der Küche steht und jeden Abend kocht. Matthias, ihr Verlobter, macht den Service.
Ihr Blick fällt in den Garten. Ostzone, so hat Groß das Label genannt, unter dem sie Produkte aus der Region vermarktet. Tomatenoder Apfelsorten, die keiner mehr kennt. Es ist ihr Beitrag zum Aufbau Ost. Hahahaha. Sie lacht wieder ihr ansteckendes Lachen und sagt: „Geil, ich renoviere die Heimat.“