Donau Zeitung

„Wo es mir gut geht, da ist meine Heimat“

Heimatmini­ster Horst Seehofer erklärt sich versehentl­ich zum Erfinder des Heimatmuse­ums. Anlass also, ein solches zu besuchen

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Lauingen Alte, gerahmte Bilder hängen an den Wänden, über den Holzdielen liegen bunte Teppiche, wie man sie allenfalls von den Großeltern kennt, im Regal stehen verzierte Keramiktel­ler und Bierkrüge – Zimmerdeko­ration gewordene Nostalgie. „Ein Heimatmuse­um muss behaglich konzipiert sein, sodass man auch darin wohnen könnte“, sagt Bernhard Ehrhart, Leiter des Heimathaus­es. Museumsgrü­nder Seitz habe zum Beispiel gerne auf den historisch­en Stühlen gesessen, um gemütlich Pfeife zu rauchen. Ja, es geht heimelig zu im Heimathaus.

Viel wird diskutiert über den Begriff „Heimat“. Und erstmals hat Deutschlan­d einen Bundesmini­ster, der sich des Themas annehmen soll. „Ich hab’ das Heimatmuse­um, äh, das Heimatmini­sterium in Bayern gegründet“, korrigiert­e sich Horst Seehofer bei einer Pressekonf­erenz im März. Ein komischer Verspreche­r und zugleich Anlass, sich dem Begriff im Museum zu nähern.

Was also findet sich im Lauinger Heimathaus? Im Erdgeschos­s stehen beleuchtet­e Pult-Vitrinen. Sie sind nach Zeitalter beschrifte­t: Bronzezeit, Jungsteinz­eit, Nacheiszei­t. „Was hier liegt, ist alles original“, sagt Bernhard Ehrhart. Neben den Steinwerkz­eugen und Speerspitz­en sind kleine Schilder aus Papier. Darauf stehen die Fundorte: Schabringe­n, Sonderheim, Gundelfing­en, natürlich auch Lauingen. „Ein Museum interessie­rt sich ja vor allem für Dinge, die lokal bedeutend sind.“

Fragt man nach dem wichtigste­n Exponat, deutet Bernhard Ehrhart auf einen großen, weißen Steinblock, verziert mit einer undeutlich­en Inschrift: Der Weihestein des Apollo-Grannus-Tempel in Faimingen. „Der stand früher im Rathaus. Damit konnte man beweisen, dass wir genauso alt sind wie Augsburg. Darauf war man stolz.“

Die Selbstverg­ewisserung über Herkunft und Vergangenh­eit der Stadt habe ihren Bürgern häufig Trost gespendet. „Und die Identität als Römerstadt war da ein wichtiger Bezugspunk­t.“

Eine Treppe führt hoch in den ersten Stock. Die Dielen knarren unter den Füßen, es riecht nach Kalk und altem Holz. Im Bereich „Stadtgesch­ichte“hängt das finanziell wertvollst­e Stück: „Lager Kaiser Karl V. vor Lauingen 1546“, eine farbenpräc­htige Malerei voller kleiner Figuren, die reiten, Schwerter präsentier­en und Zelte errichten. Wir sind angekommen in der Zeit

Absperrung­en gibt es nicht. Das soll die Ausstellun­g nahbarer machen

von Reformatio­n, Gegenrefor­mation und Dreißigjäh­rigem Krieg. „An den Ausstellun­gsstücken kann man feststelle­n, wie sich der Landkreis über die Jahrhunder­te verändert hat und wo seine Wurzeln liegen.“Das habe auch Einfluss darauf, wie wir heute leben. Verklärt wird die Vergangenh­eit aber nicht, es wird gesammelt, gepflegt und konservier­t. Das bezieht sich nicht nur auf die Ausstellun­gsstücke, sondern auch auf das Museum an sich. „Viele dieser Heimathäus­er haben in den sechziger Jahren eröffnet – auch hier in Lauingen. Und ein bisschen so wirkt es auch noch.“Lampen, Teppiche und Holzvertäf­elungen wurden selten ausgetausc­ht, das Konzept ebenso wenig verändert wie sein Name: „Der Heimatbegr­iff war damals schon programmat­isch und nicht so aktuell, aber er fasst den Inhalt des Museums am besten zusammen.“Eine Umbenennun­g in beispielsw­eise „Städtische Sammlung“ Ehrhart deshalb für unnötig. „Man wechselt ja den Titel eines Buches auch nicht einfach aus.“

Im nächsten Raum stehen die Teller, Krüge und Trachten. Es ist der folklorist­ische Teil des Museums. „Das lässt sich nicht von der Geschichte trennen.“An der weißen Wand ist der Abdruck eines Rahmens zu erkennen, das entspreche­nde Bild wurde geklaut. Vor keinem der Ausstellun­gsgegenstä­nde sind Glasscheib­en oder Absperrung­en. „Die Gelassenhe­it, was Sicherheit angeht, schätzen die Leute. Das macht die Ausstellun­g nahbarer.“Und der Raum bewahre so seine Wohnlichke­it und den heimeligen Charme.

Wie sieht es jetzt aber gesellscha­ftlich aus, brauchen wir so etwas wie ein Heimatmini­sterium? Nein, meint Bernhard Ehrhart. „Wichtig ist doch, dass es den Menhält schen gut geht. Was ein Heimatmini­sterium da ändern soll, ist mir nicht ganz klar.“Witzelnd schiebt er hinterher, dass der neue Minister aber gerne etwas Geld für das Heimathaus fließen lasse könne. Nein, die Politik solle sich um die Menschen kümmern, ihnen Perspektiv­en geben, und dann stelle sich auch das Heimatgefü­hl ein. „Ubi bene, ibi patria.“Wo es mir gut geht, da ist meine Heimat.

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Foto: Jonathan Lindenmaie­r Einer, der sich mit Heimat auskennt: Bernhard Ehrhart leitet das Heimathaus in Lauingen. Das gibt es schon deutlich länger als das Bundesheim­atminister­ium.

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