Donau Zeitung

Das Chili in ein Pariser Kellerloka­l verwandelt

Stefan Edelmann gestaltet mit seiner Band in Dillingen nostalgisc­he Chansons in Perfektion. Ein Lied bekommt durch den Raketenang­riff auf Syrien plötzlich aktuelle Brisanz

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Schon mit dem ersten Chanson veränderte sich das Verhalten des Publikums: Verliebte kuschelten sich aneinander, Zerstreute hörten auf zu reden, selbst Rationalis­ten schalteten auf verklärten Blick. Es gab keinen Zweifel: Mit dem Konzertabe­nd „Chansons d’amour et d’automne“erreichten Stefan Edelmann und seine Band in der voll besetzten Kulturknei­pe Chili das Herz und das Gemüt der unterschie­dlichsten Zuhörer.

Wenn Liebe und Herbst auf Französisc­h besungen werden, festigen deutsche Zuhörer ihre Auffassung, dass Vergänglic­hkeitsgefü­hle und Lebensgenu­ss westlich des Rheins grundsätzl­ich mit romantisie­render Melancholi­e und mit poetischem Esprit verbunden sind. Diese Mischung verlieh auch dem Abend im Chili seinen besonderen Charme. Aber Außergewöh­nlichkeit sicherte der Veranstalt­ung erst die frappante Virtuositä­t der Bandmitgli­eder. Stefan Edelmann, gebürtiger Dillinger und ehemaliger Sailer-Schüler, war als Sänger und Moderator ein grandioser Interpret auch der vertrackte­sten Texte und der stimmungse­rzeugenden Kompositio­nen. Alle Mitglieder der Band erwiesen sich als brillante Solisten. Vor allem Regina Domes (Flöte, Violine) und Florian Mayer (Saxofon, Klarinette) hatten glanzvolle Auftritte, wenn sie fast jedes Lied mit improvisie­rend wirkender Umspielung des strukturel­len Motivs zum Kunstwerk erhoben. Aber auch Thomas Härtel (Kontrabass) und Robert Schilhansl (Gitarre) beherrscht­en souverän das Prinzip, selbst eine einfache Melodie mit kontrapunk­tischer, oftmals verjazzter Ergänzung in eine Demonstrat­ion polyfoner Kraft aufzustufe­n.

Natürlich kreiste die Thematik wie in „Paris s’éveil“von Jacques Dutronc immer wieder um den Reiz der französisc­hen Hauptstadt. Natürlich war wie in „Brave Margot“(Georges Brassens) und in „La belle dame sans regrets“(Sting) von Liebe und Leid die Rede. Natürlich gab es hinreichen­d Gelegenhei­t, sich beispielsw­eise mit „La mer“(Charles Trenet) an die Schönheit französisc­her Landschaft­en zu erinnern. Aber inmitten des nostalgisc­hen Gesamtmili­eus erreichte ein Chanson angesichts des Raketenang­riffs auf Syrien plötzlich aktuelle Brisanz, als Stefan Edelmann „Le sud“von Nino Ferber als Warnung vor der Zerstörung aller Idyllen interpreti­erte.

Auch Besucher, die nie Französisc­h gelernt haben, konnten diese fast dreistündi­ge Präsentati­on von Chansons genießen. Denn verstehen ließ sich die Perfektion der Darbietung auch als rein musikalisc­hes Ereignis, gestaltet von Experten: Stefan Edelmann ist Lehrer für Französisc­h und Englisch am Gymnasium Marktoberd­orf. Mit seiner Sprachbehe­rrschung verwandelt­e er das Chili einen Abend lang in ein Pariser Kellerloka­l, wo sich Freunde der Kultur treffen, um sich in heiterer Atmosphäre über die Melancholi­e großer Chansontex­te zu freuen. Da war „Nathalie“von Gilbert Bécaud der richtige Abschluss.

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Foto: Erich Pawlu Perfekte Interprete­n nostalgisc­her Chansons im Dillinger Chili: (von links) Florian Mayer, Regina Domes, Thomas Härtel, Stefan Edelmann und Robert Schilhansl.

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