Solidarität mit Jesiden
Minister Gerd Müller will Flüchtlingen helfen. Irgendwann sollen sie zurückkönnen
Dohuk Nejma Suleyman Hassan ist verzeifelt. Die 65-Jährige, braunes Kleid, weißes Kopftuch, steht vor ihrem Zelt und schlägt immer wieder ihre Hände an den Kopf. „Wir haben alles verloren“, ruft sie und fleht zu Gott. Hinter ihr lehnt ein nasser Schrank an der Zeltwand.
Gestern hat es wieder geregnet im Flüchtlingscamp Kabarto im kurdischen Norden des Iraks. Die komplette Unterkunft ihrer Familie wurde unterspült. Das dritte Mal sei das nun schon passiert, erzählt die Muslimin. Es gebe keine Arbeit im Camp, kein Geld. 15 Dollar erhielten sie nur pro Monat.
Im Kampf gegen die Extremisten sind im Irak große Teile des Landes zerstört worden. Besonders hart getroffen hat es den Norden und Westen. Der Wiederaufbau wird eine Mammutaufgabe. 2,2 Millionen Binnenflüchtlinge führen ein notdürftiges Leben fern der Heimat.
Die IS-Gewaltherrschaft zerstörte jedoch nicht nur Häuser und Infrastruktur, sondern hinterließ auch Narben bei den Menschen. „Das Trauma ist so verankert“, sagt Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Die Menschen hätten komplett das Vertrauen verloren, „weil sie von Nachbarn ermordet wurden“. Auf seiner Reise durch den Irak geht es dem CSU-Minister vor allem um die Rückkehr von irakischen Flüchtlingen aus Deutschland in ihre Heimat. Viele denken jedoch nicht an Rückkehr. Im Gegenteil: Die Angst ist so groß, dass sie noch immer das Land verlassen.
Die Camps, in denen die Flüchtlinge leben, sind extremen Wetterbedingungen ausgesetzt. Im Winter gibt es viel Niederschlag und die Temperaturen sinken fast bis zum Gefrierpunkt – im Sommer kann es bis zu 50 Grad heiß werden. Im Camp Kabarto nahe der Stadt Dohuk leben 26000 Binnenflüchtlinge in 24 Quadratmeter großen, weißen Zelten. Die meisten hier sind Jesiden, rund die Hälfte davon Kinder. Die ethnisch-religiöse Minderheit der Jesiden im Nordirak wurde den Vereinten Nationen zufolge seit 2014 Opfer eines Völkermordes durch den IS.