Oh, là, là!: Grundschüler lernen Französisch
Ob Mathe, Musik oder Malen: Ab Herbst startet die Elias-Holl-Grundschule eine bilinguale erste Klasse. Schon jetzt bietet die Schule Französisch-Kurse an. In denen geht es um mehr als nur um Vokabeln und Grammatik
Augsburg Elf Zweitklässler sitzen in einem Kreis vor der Schultafel. Ihre Lehrerin Tanja Schmid, hält ein Kärtchen in die Höhe. „Qu’est ce que c’est?“Was das ist, fragt sie in die Runde. „Le soleil“, rufen mehrere Kinder. Und tatsächlich ist eine Sonne auf der kleinen Karte abgebildet. Mit einem „Très bien“und ihrem sonnigen „sourire“(Lächeln) lobt die Französisch-Lehrerin die Schülerinnen der Elias-HollGrundschule in Augsburg.
Seit Anfang des Schuljahres können die Buben und Mädchen im Alter von sieben bis zehn Jahren freiwillig Französisch lernen. An kostspieligen Privatschulen keine Seltenheit – doch unter den staatlichen ist die Schule am Jakobertor in der Innenstadt eine Ausnahme. Denn sie ist eine von fünf Bildungseinrichtungen im Freistaat, die das Kultusministerium als Modellschule ausgewählt hat. Das Projekt nennt sich Bilinguale Grundschule Französisch und ist durch die Stiftung Bildungspakt Bayern zustande gekommen.
Schüler der zweiten, dritten und vierten Klasse haben die Möglichkeit, einmal in der Woche in Berührung mit der französischen Sprache zu kommen. Ab Herbst bietet die Schule eine rein bilinguale erste Klasse an. „Gerade Mathe, Musik, Heimat- und Sachkunde oder Sport kann man gut auf Französisch abhalten“, sagt Schmid, die seit zwei Jahren Vollzeit unterrichtet. Die Kinder werden spielerisch an die Fremdsprache herangeführt.
„Il fait froid“, sagt Schmid und reibt mit ihren Handflächen über die Oberarme – und die Kinder wissen, was sie meint: „Es ist kalt.“Die Grundschüler plappern nach, fragen „Qu’est ce que c’est?“und zeigen auf Bilder oder singen „Frère Jacques“vor sich hin. „Das Tolle ist, dass die Grundschüler keine Angst haben, drauflos zu reden“, sagt Schmid, die eigentlich für das Gymnasium lehrbefähigt ist. Durch eine zweijährige Pädagogik-Fortbildung erhält sie die zusätzliche Qualifikation, an der Grundschule zu unterrichten.
In den kommenden Jahren werden noch mehr Französisch-Lehrer diesen Weg gehen. Denn von Seiten der Mütter und Väter ist die Nachfrage nach der bilingualen Klasse groß. „Bei der Schuleinschreibung haben weit mehr als 30 Eltern ihre Kinder für die Französisch-Klasse angemeldet“, sagt Schulleiterin Christiane Strom. Doch nur 25 Kinder werden ab Herbst zweisprachlich unterrichtet. „Das ist leider die Obergrenze“, erklärt die Direktorin. Als bilinguale Grundschule will Strom nicht nur das Schulprofil schärfen, sondern Toleranz und Offenheit der Schüler fördern. „Es gibt einen Spruch von Isaac Newton, der sagt: ,Man baut zu viele Mauern und zu wenige Brücken’“, erzählt die Schulleiterin. „Wir wollen ein kleiner Stein bei diesem Brückenbau sein.“
Professor Thorsten Piske von der Universität Erlangen-Nürnberg ist wissenschaftlicher Betreuer des Modellversuchs. Seine Aufgabe ist es, den Erfolg der bilingualen Grundschule Französisch zu überprüfen. Machen die Kinder Fortschritte in der Sprache? Leidet ihr Deutsch darunter? Und schneiden Mädchen besser ab als Buben? Erste Ergebnisse gibt es nach dem Schuljahr.
Für den Fremdsprachendidaktiker ist die bilinguale Grundschule eine „riesen Möglichkeit für Chancengleichheit“, wie er betont. Denn ob die Eltern der Kinder daheim deutsch sind oder Migrationshintergrund haben: „Für die meisten ist Französisch neu.“Das bedeutet: gleiche Startvoraussetzungen für alle Buben und Mädchen.
Zudem lernen die Schüler nicht nur Grammatik, Vokabeln und Phrasen, sondern machen erste interkulturelle Erfahrungen. Wie verhalte ich mich in einem anderen Land? Welche Feste werden dort gefeiert? Und wie unterscheiden sich die französischen Sitten und Gebräuche von den deutschen? „Die Kinder entwickeln eine größere Toleranz gegenüber anderen Kulturen“, sagt Piske.
Die neunjährige Laura kann es gar nicht abwarten, bis sie zum ersten Mal nach Frankreich kommt. „Dann kann ich selber sagen, was ich essen will“, sagt sie. Auch der Klang der Sprache fasziniert die Kinder. „Französisch ist so schön“, findet die zehnjährige Adelina und hat bereits ein Lieblingswort gefunden: „Bonjour“– Guten Tag.