Gewalt gegen Lehrer an jeder zweiten Schule
Psychoterror und tätliche Angriffe beginnen schon in der Grundschule
Augsburg Lehrer werden im Schulalltag regelmäßig beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt und belästigt. Gewalt gegenüber den Pädagogen ist kein Randphänomen mehr. Fast an jeder zweiten Schule gab es in den vergangenen fünf Jahren Fälle von psychischer Gewalt. An jeder fünften Schule wird auch über das Internet gemobbt. Und an jeder vierten Schule kommt es sogar zu körperlicher Gewalt gegenüber Lehrkräften – am häufigsten übrigens an Grundschulen.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative bundesweite Forsa-Umfrage zum Thema „Gewalt gegen Lehrer“, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben hat. Für die Studie wurden insgesamt 1200 Schulleiter in Deutschland befragt, ob es an ihrer Schule Gewalt gegen Lehrkräfte gibt, welche Arten von Gewalt auftreten und ob sie die angegriffenen Lehrkräfte ausreichend unterstützen können.
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, findet die Ergebnisse der Umfrage „erschütternd“. „Die uns vorliegenden Fakten beweisen erneut, dass die Kultusministerien mit ihrer Einschätzung, dass Gewalt gegen Lehrer lediglich Einzelfälle sind, schlicht falsch liegen.“Auch Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sagte kürzlich im Interview mit unserer Zeitung: „Gewalt an Schulen wurde lange ignoriert.“Er nannte eine „ungünstige soziale Zusammensetzung“und einen „sehr hohen Migrationsanteil“als Grund.
Gewalt gegen Lehrer ist kein neues Thema, es werde nur häufiger darüber berichtet. Ein Zeichen einer inzwischen offeneren und transparenteren Schulkultur, sagt Beckmann. Dennoch ist davon auszugehen, dass längst nicht alle Probleme und Vorfälle in den Klassenzimmern an die Schulleitung herangetragen werden. 39 Prozent der befragten Schulleiter halten das Thema nach wie vor für ein Tabu.
Bei einer solchen psychischen Belastung ist Unterstützung wichtig. An zehn Prozent der Schulen war das nicht möglich. Die Gründe seien häufig, dass sich die betroffenen Schüler uneinsichtig zeigen und die Eltern nicht kooperationswillig sind. „Neben schwierigen Schülern und deren Eltern ist das größte Problem der Schulleitungen der fehlende Rückhalt aus der Politik“, sagt Beckmann. Der VBE fordert daher öffentliche Statistiken über Gewaltvorfälle. „Nur wenn das Ausmaß für die Ministerien greifbar wird, werden sie die angemessenen Maßnahmen umsetzen, um Lehrkräfte besser zu schützen“, sagt Beckmann.
Das bayerische Kultusministerium betonte gegenüber unserer Zeitung, es gilt „Null-Toleranz“in Bezug auf Gewalt an Schulen. Zahlen erfasst es aber nicht: „Aus unserer Sicht könnte eine verpflichtende Datenerfassung Lehrkräfte möglicherweise sogar davon abhalten, sich Rat und Hilfe zu holen.“Beckmann widerspricht dieser Argumentation. „Die Kultusministerien würden mit Statistiken endlich ein Zeichen aussenden, dass ihnen das Thema wichtig ist.“