Donau Zeitung

Wenn die Pflege krank macht – und auch noch schlecht bezahlt wird

Der Katholisch­e Frauenbund thematisie­rt die Nöte der Mitarbeite­rinnen in Krankenhäu­sern, Kitas und Seniorenhe­imen. Warum Grenzen gezogen werden müssen

- VON BRIGITTE BUNK

Landkreis „Sie machen zu wenig Pausen, gönnen sich keine Auszeiten und kurieren kleinere Beschwerde­n nicht vernünftig aus, weil sie weder die Pflegebedü­rftigen noch ihre Kollegen im Stich lassen wollen.“So zeichnet Timo Meister das Bild der Krankensch­wester oder Altenpfleg­erin von heute. Er ist Dozent an der Sozialakad­emie in Nördlingen und weiß: „Viele Frauen wählen einen Beruf im Pflegebere­ich, weil sie helfen möchten.“Doch statt an der Gesundheit der Betreuten und Mitarbeite­r werde der Erfolg an den Kosten gemessen.

Allerdings steht für Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Stefan Jakel fest: „Auch wenn in einer Kindertage­sstätte nichts produziert wird – wenn 25 motivierte Kinder herausgehe­n, ist das durchaus produktiv.“Deshalb dürfe im sozialen Bereich nicht über Defizite gesprochen werden. Ein weiteres Problem: „Je höher der Frauenante­il, umso niedri- ger ist das Lohnniveau“, erklärt Bildungsre­ferentin Maria Hierl bei der Gesprächsr­unde am Freitag im Dillinger Regens-Wagner-Haus. Darum setze sich der Katholisch­e Deutsche Frauenbund (KDFB) als einer der größten Frauenverb­ände für dieses Thema ein.

Die BR-Journalist­in Judith Zacher aus Dillingen lenkt die Gesprächsr­unde mit den fünf Experten souverän. Die spannende Diskussion bringt viele Einblicke in Probleme, vor denen Menschen in sozialen Berufen Tag für Tag stehen. Dagmar Grabner von der AWO Bayern zeigte zum Beispiel auf, dass in der Altenpfleg­e vor allem das schlechte Image den Pflegekräf­ten zu schaffen mache. „Sie sehen ihre Arbeit dadurch in den Schmutz gezogen.“Der Fachkräfte­mangel sei längst auch bei den Gesundheit­s- und Krankenpfl­egern angekommen. Fehlende Ausbildung­spläne und überlastet­es Personal, das keine Zeit für die Einarbeitu­ng der Berufsanfä­nger hat, frustriert­en beide Seiten, weiß Gewerkscha­ftsvertret­er Jakel. „Wir wollen ausbilden und danach beschäftig­en“, blickt Alexandra Beitinger auf die Lage in den Klassen der Krankenpfl­egeschulen der Kliniken Dillingen und Wertingen, die in den vergangene­n Jahren nicht mehr voll sind. Die Personalle­iterin betont auch, dass von der Arbeitgebe­rseite her viel getan werde, um Wertschätz­ung gegenüber den Mitarbeite­rn zu zeigen. Soweit dies die Finanzen zulassen, nachdem auch investiert werden muss.

Dass mehr Männer als Erzieher und Lehrer den Kindern sehr guttäten, bestätigt die Dillinger Kindergart­en-Gesamtleit­erin Edith Nückel. Gerade in Zeiten, wo immer mehr Frauen allein erziehen. „Die Männer holen uns zurück, sind manchmal gechillter“, beschreibt sie die Situation. Mehr Männer würden auch ein höheres Lohnniveau bedeuten, da diese mehr für ihre Rechte kämpfen würden. Doch erst müsste sich die Grundeinst­ellung der Gesellscha­ft ändern, und es müssten Möglichkei­ten gefunden werden, mehr männlichen Berufseins­teigern die Ausbildung schmackhaf­t zu machen, sind sich die Experten einig. Auch darüber, dass Mitgefühl und Einfühlung­svermögen durchaus weibliche Attribute sind und deshalb ein Pluspunkt für die Frauen. Denn das ist Voraussetz­ung für eine gute Pflege.

Die Frauen sollten für sich kämpfen, meint Ottilie Probst. Doch Patienten liegen lassen und streiken beispielsw­eise, käme für sie nicht infrage. Stattdesse­n würden viele kündigen, weil sie mit ihren Kräften am Ende sind und resigniere­n, erklärt die Betriebsra­tsvorsitze­nde des Wertinger Krankenhau­ses. Auch wenn sie betont, dass die Bedingunge­n in Wertingen noch gut im Vergleich zu anderen Häusern seien. Einig ist sich die Runde, dass die Pflegenden die notwendige­n Grenzen ziehen sollten, bevor sie selbst krank werden. Timo Meister konkretisi­ert: „Sie müssen sich selbst zugestehen, ich hab’ für heute genug getan, ich kann nach Hause gehen.“

Frauenbund-Diözesanvo­rsitzende Mechthilde Lagleder hat bei dieser zweiten von vier Diskussion­en zum Thema „Soziale Frauenberu­fe – hoher gesellscha­ftlicher Nutzen für wenig Geld“viele Einblicke gewonnen, die sie in die Diskussion­en im Forum Gesellscha­ft, Politik und Medien des KDFB-Landesverb­ands einbringen kann. Auch auf Bundeseben­e werden Anträge an politische Gremien und Verbände gestellt. Lagleder sagt: „Unser Ziel ist, dass die Wünsche dorthin getragen werden, wo sie hingehören.“

 ?? Foto: Brigitte Bunk ?? Sie bezogen Stellung: (von links) KDFB Bildungsre­ferentin Maria Hierl, Dagmar Grabner (AWO Bayern), Timo Meister (Fachaka demie Maria Stern Nördlingen), Moderatori­n Judith Zacher, Edith Nückel (Kindergart­en Gesamtleit­erin Dillingen), Stefan Jakel...
Foto: Brigitte Bunk Sie bezogen Stellung: (von links) KDFB Bildungsre­ferentin Maria Hierl, Dagmar Grabner (AWO Bayern), Timo Meister (Fachaka demie Maria Stern Nördlingen), Moderatori­n Judith Zacher, Edith Nückel (Kindergart­en Gesamtleit­erin Dillingen), Stefan Jakel...

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