Der ungezogene Junge schlägt wieder zu
Er flucht, reißt schlechte Witze und richtet jede Menge Blutbäder an. Unter den Marvel-Superhelden fällt der Kämpfer im Lederdress aus der Rolle. Trotzdem taugt er für einen erfrischend witzigen, knalligen Actionfilm
Im weitgefächerten Arsenal der Marvel-Helden spielt Deadpool die Rolle des ungezogenen Jungen, der keine Tischmanieren hat und alles tut, um die Gäste zu vergraulen: Fluchen, schlechte Witze und jede Menge Blutbäder. Ryan Reynolds hat als schwarzes Schaf unter den Superheroen vor zwei Jahren mit einem überraschenden Einspielergebnis von 783 Millionen Dollar die Kassen klingeln lassen. Dabei war „Deadpool“im Vergleich zu Produktionen wie „Iron Man“, „X-Men“oder „Avengers“mit Investitionskosten von 58 Millionen Dollar fast schon ein Low-BudgetUnternehmen.
Aber offensichtlich bediente der nach einer misslungenen Krebsbehandlung gründlich verunstaltete Haudegen mit dem losen Mundwerk ein gewisses anarchistisches Grundbedürfnis unter den MarvelFans, die die sarkastische Selbstiro- des unmoralischen Helden zu schätzen wussten. „Ob Sie es glauben oder nicht: Deadpool 2 ist ein Familienfilm“, behauptet der Protagonist aus dem Off zu Beginn der Fortsetzung. Zu dem Zeitpunkt hat Deadpool (Ryan Reynolds) mit seinen beiden Samurai-Schwertern schon eine Heerschar chinesischer Mafiosi niedergemetzelt. Abgetrennte Köpfe und Gliedmaßen sind durch die Luft geflogen, während die Blutfontänen malerisch aus den Restkörpern sprudelten.
Nach getaner Arbeit wartet zu Hause schon die schöne Freundin Vanessa (Morena Baccarin) mit klar formuliertem Kinderwunsch, aber bevor es an die Familiengründung gehen kann, dringt der asiatische Oberbösewicht ins Apartment ein. Der Superheld kann nicht verhindern, dass eine Kugel die Geliebte tödlich trifft. Vom Verlust schwer traumatisiert verfällt Deadpool in Selbstmitleid und Pes- simismus. Erst als es darum geht, den jungen, pyromanischen Mutanten Russell (Julian Dennison) zu retten, läuft der kriselnde Superheld wieder zu neuer Form auf.
Aber aus der Zukunft ist in bester Terminator-Manier ein Mann namens Cable (Josh Brolin) angereist, der den jungen Feuerteufel umbringen will. Der knallharte Kämpfer weiß, dass Russell in ein paar Jahren zu einem veritablen Bösewicht heranreifen und für den Tod von Cables Familie verantwortlich sein wird. Deadpool versucht, mit einer illustren „X-Force“aus Menschen und X-Men-Mutanten die Zukunft und den Jungen gleichermaßen zu retten. Bis auf Superheldin Domino (Zazie Beetz) versagen sie alle schon beim ersten Coup.
Dem Sequel merkt man deutlich an, dass die „Deadpool“-Macher von ihrem eigenen Erfolg überrascht wurden und das Projekt nicht unbedingt als Fortsetzungsunternie nehmen geplant war. Etwas konzeptlos wird hier mit einer eher kryptischen Story einfach weiter geballert und gewitzelt. Lastwagenweise werden Insider-Scherze aus dem Marvel-Universum angefahren, was auf Dauer genauso ermüdend wirkt wie der sarkastische Kommentar, zu dem der strauchelnde Superheld aus dem Off immer wieder ausholt.
Immerhin verleiht Josh Brolin als Arnold-Schwarzenegger-Wiedergänger dem Unternehmen punktuell zu unverhoffter Klasse und Zazie Beetz als Mutantin Domino, deren Superkraft einfach nur „Glück“ist, bringt ein wenig frischen Wind ins Wilde-Kerle-Spektakel.
Der Schluss legt die Vermutung nahe, dass sich Deadpool in Zukunft auf der Leinwand innerhalb des X-Men-Kollektivs vergnügen wird. Das wäre eine kluge Entscheidung, denn dieses Sequel zeigt deutlich, dass die Figur einfach zu wenig für eine Trilogie hergibt. Kurz informiert Deadpool 2 (1 Std. 59 Min.), Action, USA 2018
Regie David Leitch
Mit Ryan Reynolds, Josh Brolin, Zazie Beetz, Morena Baccarin Wertung ★★★✩✩