„Eine neue Ordnung für Jahrhunderte“
Ein Gedenkstein beim Kegelcasino erinnert an die bayerische Verfassung, die König Max I. Joseph vor 200 Jahren am 26. Mai 1818 seinem Volk gewährte. Warum das Denkmal die Form eines Würfels hat
Dillingen Vor 200 Jahren, am 26. Mai 1818, „gewährte“der König Max I. Joseph dem Volk die erste bayerische Verfassung. Sie gilt als Meilenstein in der Verfassungsentwicklung Bayerns zur Demokratie.
Die Aufklärung, die Revolution und Napoleon als Vollender und Überwinder der Revolution, begründeten einen epochalen Umbruch in Frankreich und der europäischen Geschichte. Unter dem ersten bayerischen König Max I. Joseph und seinem allmächtigen Minister Maximilian von Montgelas entstand das moderne Bayern. Beide hatten erkannt, dass die neue Zeit grundlegender Reformen bedurfte. Säkularisation und Mediatisierung hatten zu einem erheblich größeren Staatsgebiet geführt. Die Bevölkerung hatte sich nahezu verdoppelt. Diesen „Fleckerlteppich“aus 230 neu erworbenen geistlichen und weltlichen Territorien mit unterschiedlichen Rechten und Traditionen in einem neuen Staatsgebilde zu integrieren und den Menschen ein neues, gemeinsames Staatsbewusst- zu geben, war eine wahre Herkulesaufgabe. Was bedeutete das für die neue Verfassung?
Die Präambel wiederholte jene Grundrechte, die seit 1808 den Bürgern garantiert waren, vor allem die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Gewissens- und Pressefreiheit; den gleichen Zugang der Bürger zu den öffentlichen Ämtern und zur Armee. Die Ständeversammlung konnte als Volksvertretung an der Gesetzgebung mitwirken und besaß das Recht der Steuerbewilligung. Der Abgeordnete war „nur dem allgemeinen Wohl und Besten des ganzen Landes“verpflichtet.
Mit der Verfassung von 1818 hatte Bayern im Deutschen Bund eine Vorreiterrolle eingenommen. Österreich und Preußen sollten mit eigenen Verfassungen erst Jahrzehnte später folgen. In Bayern war sie im Wesentlichen ein Jahrhundert gültig. Erst die Revolution 1918 führte auch hier zu einem grundlegenden Wandel der politischen Verhältnisse. In der „Bairischen National-Zeitung“vom 26. Mai 1819 – genau ein Jahr nach dem Erlass der Verfassung – teilte der König seinen „Befehl“ mit, dass eine „Denkmünze“zur Erinnerung an dieses Ereignis geprägt werden solle. Der Berichterstatter lieferte die pädagogische Begründung mit: „Man darf sich schon jetzt dem belebenden Gefühl überlassen, dass, wenn alle Jahr am Tage der Stiftung der Schuljugend diese Denkmünze erklärt wird, das Bild des glorreichen Stifters der Verfassung mit dem dankbaren Andenken an denselben in den Herzen aller Baiern auch nach Jahrhunderten fortleben und der Segen des Himmels für ihn und alle seine Nachfolger mit dankbarer Rührung erfleht werde“.
Die Vorderseite des Konstitutionstalers zeigt die Büste des Königs Max I. Joseph. Er ist als siegreicher Caesar bzw. Feldherr mit dem Lorbeerkranz auf dem Kopf wiedergegeben. Die Rückseite bietet auf einem Boden mit Rautenstruktur einen Würfel mit der Aufschrift „Charta Magna Bavariae“/„Bayerische Verfassung“. Darunter steht in römischen Zahlen das Datum der Proklamation der Verfassung, der 26. Mai 1818. Die Umschrift zitiert den Vers: „Magnus ab integro saesein clorum nascitur ordo“/„Von nun an entsteht eine neue Ordnung für Jahrhunderte“.
Der Hexameter stammt aus Vergils Buch „Bucolica“. Im Jahr 40 vor Christus, dem Entstehungsjahr des Gedichts, wünschten sich die Römer nach schrecklichen Jahren des Bürgerkriegs die Wiederkehr des „Goldenen Zeitalters“. Vergil prophezeit, dass mit der Geburt eines Kindes (vielleicht Jesus Christus!) eine Epoche der Gerechtigkeit und des Friedens beginnen werde. Mit der Anleihe bei Vergil wird deutlich, welch hohe Erwartungen die bayerische Untertanen an die Herrschaft ihres Königs Max stellen dürfen, die von seiner neuen Verfassung von 1818 bestimmt wird.
Gegen Ende des Georg-SchmidRings, etwa 50 Meter bevor dieser in die Donaustraße einmündet, liegt rechter Hand zwischen Kegel-Casino und einer Grünanlage ein Parkplatz. Inmitten der bescheidenen Reste des ehemaligen „Max-Joseph-Parks“steht das Verfassungsdenkmal aus dem Jahre 1824. Es wurde vor einigen Jahren von der Stadt saniert.
Eine nüchterne, aus Stein gehauene, in geometrischen Formen sich aufbauende Anlage: auf einem dreistufigen quadratischen Sockel liegt ein Würfel. Auf den Seitenflächen ist zu lesen: „Denkstein zur Jubelfeier Maximilian Joseph(s) Königs von Bayern von Dillingens treuen Bürgern gewidmet in Ehrfurcht und Dankbarkeit am 16. Februar 1824“.
Der Würfel symbolisiert die Verfassung von 1818. Das Quadrat in seinem Ebenmaß steht für die Idee der Gleichheit der Menschen. Diese Überzeugung gründet in der Vernunft, die nach der Philosophie der Aufklärung der Maßstab für alle gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse ist. In einer zweitägigen Feier am 15./16. Februar 1824 erinnerte die Stadt Dillingen an die 25-jährige Herrschaft ihres Königs. Am ersten Tag wurden im Max-Joseph-Park weitere 25 Bäume gepflanzt. Am folgenden Tag wurde der Grundstein für das Verfassungsdenkmal gelegt. Auch die Stadt Lauingen trug zu diesem Jubiläum mit einer Baumpflanzung bei. Von dieser Anlage sind noch Reste erhalten.